Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Einen neuen Politikstil hat die neue Landesregierung ja versprochen. Der Start aber war eher holprig. Hätten Sie gedacht, dass Stuttgart 21 alles andere überlagert – auch innerhalb der grün-roten Koalition?
Damit habe ich durchaus gerechnet. Schließlich haben beide Seiten gewusst, wie unterschiedlich die Positionen sind, und deshalb ein klares Verfahren bis hin zur Volksabstimmung vereinbart. Diese hat erstens eine sehr hohe Beteiligung gebracht und zweitens ein ganz eindeutiges Ergebnis. Insofern ist das ein gutes Beispiel für eine neue Beteiligungsdemokratie . . .

. . ., die den grünen Teil der Landesregierung hart ankommen muss. Schließlich gilt es nun ausgerechnet das Projekt, das die Partei stark bekämpft hat, umzusetzen.
Schön ist das nicht, das lässt sich nicht bestreiten. Allerdings ist es unabhängig davon Aufgabe der Politik, den mehrheitlichen Willen der Bürgerinnen und Bürger umzusetzen. Und dies werden wir tun.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat betont, fortan müsse Stuttgart 21 kritisch-konstruktiv begleitet werden. Das haben innerhalb der Grünen offenbar nicht alle verstanden.
Das ist ja zunächst eine pure Selbstverständlichkeit: konstruktiv in dem Sinne, keine Verhinderungsstrategie zu fahren und mit dem Bauherrn Bahn AG gut zusammenzuarbeiten; kritisch hingegen etwa bei den einzelnen Schritten der Umsetzung auch den Finanzrahmen zu wahren und damit einen sorgsamen Umgang mit Steuergeldern zu gewährleisten. Das will ja im Übrigen nicht nur die Landesregierung, sondern wollen auch die Landeshauptstadt und die Region.

Wird am Ende des Tages aus Stuttgart 21 doch noch ein grünes Projekt?
Der Dissens in Sachen Tief- und Kopfbahnhof lässt sich sicherlich nicht auflösen. Aber aus städtebaulicher Sicht ist Ihre Frage eindeutig zu bejahen. Ich erinnere daran, dass der Stuttgarter Gemeinderat schon Ende der 1990er Jahre rund 80 Hektar an Bauflächen an der Peripherie gestrichen hat – vor dem Hintergrund, dass auf den frei werdenden Gleisflächen eine Nachverdichtung ermöglicht wird. Das ist ökologisch durchaus sinnvoll. Insofern birgt Stuttgart 21 ohne Zweifel Chancen.

Wäre da nicht eine gespaltene Stadt. Wie lässt sich diese Spaltung überwinden?
Wichtig ist, den Menschen mit aller Klarheit zu sagen, dass wir das eindeutige Ergebnis des Volksentscheides umsetzen werden, ohne Wenn und Aber. Dabei wollen wir die Bürger im weiteren Verlauf des Projektes so gut wie irgend möglich beteiligen und informieren – und damit den Dialog fortsetzen, den die Landeshauptstadt vor Weihnachten mit dem Forum zur Zukunft der Bäume im Schlossgarten begonnen hat. Entscheidend wird am Ende nicht zuletzt sein, dass die Bauherrin Bahn und die Projektpartner gut zusammenarbeiten.

Gibt es denn von Seiten der Landesregierung schon eine Entscheidung, wie viele Bäume im Schlossgarten genau fallen und wie viele versetzt werden sollen?
Vor einer abschließenden Positionierung wollen wir zu Beginn des neuen Jahres in einigen Gesprächen für uns noch mehr Klarheit schaffen. Ziel der Landesregierung bleibt, im Geist der Schlichtung möglichst viele Bäume zu retten und zu verpflanzen. Aber es zeigt sich schon jetzt, dass diese Idee an Grenzen stoßen wird.

Heißt das: der Preis für eine Versetzung aller Bäume ist zu hoch?
Dabei geht es weniger um das Monetäre. Die Gutachten und die Anhörung im Rathaus haben deutlich gemacht, dass die alten Baumriesen sich nicht abtransportieren lassen und allenfalls im Schlossgarten verschoben werden könnten. Bei solch einer Maßnahme würden aber andere Teile des Parks zerstört. Und all dies muss in eine Gesamtabwägung einfließen – auch wenn die Fällung jedes Baumes schmerzt.