Exklusiv Kostja Ullmann hat Respekt vor seiner Rolle als schwuler Friseur in der Komödie „Coming In“, findet aber das Küssen von Männern ganz einfach. Im StZ-Interview spricht er über Duschszenen, Gefühle und Bollywood-Träume.

Berlin – - Wie mimt man einen schwulen Friseur, ohne Klischees zu bedienen? Eine Gratwanderung, sagt Kostja Ullmann, der seit Donnerstag als solcher in der Kinokomödie „Coming In“ zu sehen ist. Bei einem entspannten Gespräch im Berliner Hotel de Rome offenbart der Hamburger Schauspieler, wie er selbst zur gleichgeschlechtlichen Liebe steht, und noch andere emotionale Seiten.
Herr Ullmann, ein schwuler Friseur, der sich in eine Frau verliebt, ist keine alltägliche Rolle. Musste Ihnen „Coming In“ erst schmackhaft gemacht werden?
Nein, ganz im Gegenteil: als mich der Regisseur Marco Kreuzpaintner anrief, sagte ich zu, noch bevor ich wusste, was für eine Rolle das ist. Bei seinem Film „Sommersturm“ durfte ich vor zwölf Jahren schon einmal mit ihm arbeiten, was unglaublich viel Spaß gemacht hat. Ich wusste, dass er keinen Blödsinn macht und ich mit ihm nichts verkehrt machen kann. Selbst wenn ich dann doch ein bisschen Respekt vor der Rolle hatte.
Warum das?
Zum einen ist es nicht ohne, einen Friseur zu spielen und das auch gut aussehen zu lassen. Zum anderen hatte ich Respekt davor, einen Schwulen zu spielen, ohne die üblichen Klischees zu bedienen. Das war eine Gratwanderung. Mir war klar, dass einige Leute da ganz genau hingucken werden. Allerdings wusste ich, dass ich mit Marco jemanden an meiner Seite habe, der mir dabei hilft, alles richtig zu machen.
Dass ein Schwuler sich in eine Frau verliebt, haben Sie das schon einmal erlebt?
Das habe ich tatsächlich. Überhaupt passiert lustigerweise immer, wenn ich mit Marco drehe, die Geschichte des Films zufälligerweise gerade auch im wahren Leben. In der Zeit von „Sommersturm“ hatte einer meiner besten Freunde sein Coming-out. Und während der Arbeit an „Coming In“ verliebte sich ein schwuler Bekannter in eine Frau – was zeigt, wie normal das ist und nicht automatisch heißt, dass jemand plötzlich nicht mehr schwul ist. Meine Figur im Film ist ja auch nicht auf einmal ein Hetero. Für mich ist das die Botschaft des Films: Der Mensch ist wichtig, nicht das Geschlecht.
Gab es für Sie selbst je einen Moment, in dem Sie Ihre sexuelle Orientierung in Frage gestellt haben?
Nein, nicht wirklich. Aber ich bin auch damit aufgewachsen, dass das Thema Homosexualität ganz selbstverständlich ist. Meine Mutter war Balletttänzerin, ihr halber Freundeskreis war schwul. Für mich war schon als Kind klar, dass es ganz egal ist, ob sich jemand in einen Mann oder eine Frau verliebt oder beides attraktiv findet. Bei mir waren es eben immer Mädchen. Aber alles andere wäre auch kein Problem gewesen. Ich finde Männer sexuell eben nicht anziehend. Selbst wenn mir klar ist, dass einige verdammt gut aussehen, und ich es zu schätzen wusste, in „Coming In“ KenDuken küssen zu dürfen.
Das war also gar nicht unangenehm?
Nö, nur ein bisschen bärtiger als mit einer Frau. Das war der einzige Unterschied. Selbst unsere gemeinsame Duschszene, die man vielleicht für eine gewisse Herausforderung halten kann, war völlig entspannt. Ein paar Tage nachdem wir die gedreht hatten, standen Ken und ich für die Mundpropaganda-Kampagne der Zeitschrift „GQ“ vor der Kamera. Da mussten wir schon wieder knutschen – und ich glaube, der Fotograf und die anderen waren ein bisschen irritiert, wie entspannt wir an die Sache herangingen. Wir waren einfach gut im Training!
Privat küssen Sie schon lange Ihre Freundin Janin Reinhardt. Sie damals angesprochen zu haben, bezeichnen Sie als Heldentat . . .
Das war auch eine, für mich persönlich.
Weil es schwerfällt, Gefühle zu zeigen?
Quatsch! Gefühle ausdrücken kann ich gut, ich bin ein Gefühlsmensch und sehr liebesbedürftig. Aber wenn es um Frauen geht und ich mich verliebe, bin ich plötzlich total gehemmt und wahnsinnig schüchtern. Janin war wirklich die erste Frau in meinem Leben, die ich angesprochen habe. Davor hatte ich immer das Glück, dass diejenige irgendwann genervt war davon, dass ich nur geguckt habe, und mich angesprochen hat. Bei Janin habe ich mich durchgerungen und mich getraut, aus Angst, es am Ende zu bereuen. Ein riesiger Schritt, der sich über den ganzen Abend hinzog. Zum Glück hat es geklappt.
Aber nach dem ersten Schritt ist Emotionalität dann für Sie ein Kinderspiel?
Auf jeden Fall. Ich gehöre zu den Männern, die weinen, auch wenn sie Filme gucken. Ich bin überhaupt sehr emotional und glaube, dass mir das auch in der Schauspielerei hilft. Da hat natürlich jeder seine eigene Herangehensweise, aber ich nähere mich einer Rolle eigentlich immer über die Gefühle und gucke, was ich auf dieser Ebene von mir selbst einbringen kann.
Sie erwähnten bereits, dass Sie Ihren ersten Kinofilm „Sommersturm“ vor mittlerweile zwölf Jahren gedreht haben. Sind Sie noch der Gleiche wie damals?
Als Schauspieler hoffentlich nicht. Da habe ich auf jeden Fall vieles dazugelernt und tue das immer noch. Und privat habe ich vor allem viel Selbstbewusstsein dazugewonnen. Das bringt der Beruf einfach mit sich, weil man immer wieder aufs Neue mit vielen fremden Menschen zu tun hat. Dadurch bin ich über die Jahre viel entspannter geworden. Als ich zu „Sommersturm“ das erste Interview meines Lebens geben musste, habe ich vor Aufregung am ganzen Körper gezittert, weil ich nicht wusste, was ich machen soll. Das hat sich Gott sei Dank gelegt!
Gab es in all den Jahren mal eine Phase, wo Sie an der Schauspielerei gezweifelt haben?
Die gab es immer mal wieder. Bei „Sommersturm“ war ich noch naiv. Da dachte ich, mit dem ersten Kinofilm ist der Durchbruch geschafft. Aber dann kam erst einmal nichts. Nur ein paar Fernsehproduktionen von der Art, wie ich sie eigentlich nicht mehr machen wollte. Da habe ich dann gemerkt, dass man auch mal ausharren und geduldig sein muss. Allerdings hatte ich nie vor, die Schauspielerei wirklich an den Nagel zu hängen. Und ich hatte ja dann das Glück, dass irgendwann ein schönes Projekt auf das andere folgte, so dass ich meinen Weg Schritt für Schritt gehen konnte.
Gibt es berufliche Ziele und Träume, die Sie auf diesem Weg noch erreichen wollen?
Da fällt mir konkret gar nichts Großes ein . . .  Wobei ich große Lust hätte, mal in Indien zu drehen, sehr gerne auch in einer indischen Produktion und dann auf Englisch. Über meine Mutter habe ich ja indische Wurzeln. So einen richtigen Bollywoodfilm, mit Singen und Tanzen, und damit bin ich ja bei uns zu Hause aufgewachsen, darauf hätte ich tierisch Lust!