Jahrelang schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch, heute ist Simon Beckett­ (56) einer der erfolgreichsten Krimiautoren. Im Interview spricht er über seinen neuen Thriller „Totenfang“, den Traum vom Schreiben und Handwerkerarbeiten.

Guten Tag Herr Beckett, wie geht es Ihnen?
Sehr gut. Ich bin derzeit ja auf Lesereise in Deutschland, was mich sehr freut.
Davor mussten die Fans aber lang auf die Fortsetzung Ihrer Reihe um den Protagonisten David Hunter warten. In „Totenfang“ führt ihn sein fünfter Fall in die Backwaters, ein unwirtliches Flussmündungsgebiet in Essex.
Ich habe das Buch immer wieder neu angefangen, neue Ideen entwickelt und dann wieder verworfen. Und plötzlich waren fünf Jahre rum. Dazwischen war ich allerdings nicht untätig. Ich habe einen anderen Roman und Kurzgeschichten geschrieben.
„Totenfang“ kam im vergangenen Oktober zuerst auf Deutsch auf den Markt. Weil Sie hierzulande die meisten Fans haben?
Nein, das hatte verlagstechnische Gründe. Aber es stimmt schon: Die Fans in Deutschland sind zahlreich und sehr treu.

„Hunter liegt mir sehr am Herzen“

Und sie mögen Ihren David Hunter, der als Forensiker Kriminalfälle löst. Haben Sie ihn selbst auch noch gern? Oder nervt er Sie eher?
Nun ja, ich stehe unter einem gewissen Erwartungsdruck. Allerdings hat das keine negativen Auswirkungen auf die Figur. Hunter liegt mir immer noch sehr am Herzen. Sonst würde ich ja nicht immer wieder über ihn schreiben wollen.
Wie erklären Sie sich seine Beliebtheit? Hunter ist ja kein klassischer Held, sondern zurückhaltend, verschwiegen, in sich gekehrt.
Ich glaube, dass genau das seinen Reiz ausmacht. Dass er eben kein Superheld, kein Haudegen ist. Sondern ruhig und konzentriert an die Sache geht. Und seine Zurückhaltung gibt ihm ja auch etwas Geheimnisvolles.

Literatur unterliegt gewissen Moden“

Krimis sind Verkaufsschlager. „Totenfang“ etwa steht seit Monaten auf den Bestseller-Listen. Was macht die Faszination aus?
Ach, ich glaube, dass die Literatur – wie alles andere auch – gewisse Moden durchläuft. Und seit einigen Jahren sind eben Krimis angesagt.
Bei Ihnen spielt der Tod eine große Rolle . . .
Klar, Hunter ist Rechtsmediziner. Und der Tod ist in der Tat ein Faszinosum. Wir wissen schließlich nicht, wie es danach weiter geht. Und wenn ich jetzt mal ein wenig philosophieren darf: Vielleicht zeigt Hunter durch seine Arbeit ein bisschen, dass auch Tote noch etwas zu erzählen haben.
Ihre Beschreibungen sind stets akribisch.
Ich recherchiere für jeden Fall intensiv.
Haben Sie das bei Ihrer Tätigkeit als Journalist verinnerlicht?
Ja, die Recherche ist mir einfach sehr wichtig. Der Journalismus hat mich zudem zu einem disziplinierten Schriftsteller gemacht.
Davor haben Sie als Hausmeister gearbeitet.
Das ist ein Gerücht, das sich schon ewig hält. Ständig lese ich das irgendwo. Wo es herkommt? Vermutlich ist bei der Übersetzung irgendwas schief gelaufen. Richtig ist dagegen, dass ich mich eine Weile mit Gelegenheitsjobs, etwa mit kleineren Handwerkertätigkeiten, über Wasser gehalten habe.

„Der große Erfolg hat sich nicht eingestellt“

Und Sie haben als Schlagzeuger in einer Band gespielt. Oder ist das auch nur ein Gerücht?
Nun ja, ich war Percussionist, sprich: ich habe  zum Beispiel Bongos und Congas gespielt. Natürlich mit Hoffnungen auf einen Plattenvertrag. Aber der große Erfolg hat sich leider nicht eingestellt.
Weshalb Sie sich dann lieber aufs Schreiben verlegt haben?
Ich wollte schon seit meiner Studienzeit schreiben. Aber ich wusste einfach nicht worüber, ich hatte kein Thema. Als ich für meine damalige Zeitung auf der Body Farm der University of Tennessee war, wo Wissenschaftler in einem Freiluft-Labor den Zerfall menschlicher Leichen untersuchen, hatte ich endlich meine Idee für einen Krimi. Es hat aber noch gedauert, bis erstmals was von mir veröffentlicht wurde.
Wie geht es mit David Hunter weiter? Würde Sie eine Verfilmung reizen?
Ich bin derzeit tatsächlich in Gesprächen. Viel darf ich allerdings noch nicht sagen. Klar ist jedoch: Eine Adaption fürs Fernsehen wäre mir lieber, als ein Kinofilm. In einer Serie gibt es mehr Entwicklungsmöglichkeiten für Hunter.
Wer schwebt Ihnen für die Hauptrolle vor?
Da kann ich mir einige Schauspieler vorstellen. Namen verrate ich aber keine.
Am Mittwoch lesen Sie in Stuttgart. Haben Sie Zeit, sich die Stadt anzuschauen?
Ich hoffe, dass es für einen Spaziergang reicht. Beim letzten Besuch war es schon dunkel, da habe ich nicht viel gesehen.
Der Schriftsteller Simon Beckett (56) stammt aus Sheffield, wo er mit seiner Frau lebt. Die Thriller um den Forensiker David Hunter machten ihn berühmt. Weltweit wurden seine Bücher mehr als sieben Millionen Mal verkauft . Zuletzt erschien mit „Totenfang“ der fünfte Hunter-Fall.
Im Rahmen der Stuttgarter Kriminächte ist er am Mittwoch, 15. März, von 19.30 Uhr an bei der „Körperwelten“-Ausstellung in der Schleyerhalle zu Gast. Die Veranstaltung ist ausverkauft.