Vor Kurzem hat Hans-Peter Hauf seinen 70. Geburtstag gefeiert. Fast 50 Jahre lebt und arbeitet der Künstler in Stuttgart. Er findet die Stadt inspirierend und lobt deren kulturelle Vielfalt. Hauf mahnt aber auch an, dass bei Neubauten der Stadt Geld in Kunst fließen sollte.

Stuttgart - Mehr als 100 Ausstellungen verzeichnet sein Lebenslauf: Hans-Peter Hauf feierte vor Kurzem seinen 70. Geburtstag. Barbara Miedaner-Hoffmann und Eva Brucklacher, Tochter des Künstlers Otto Herbert Hajek, zeigen in ihrer Galerie im Eckhaus Haufs neueste Werke. Der Künstler, der 1967 aus dem hessischen Trebur kam, die Höhere Fachschule für das Malerhandwerk besuchte und an der Freien Kunstschule und der Akademie der Bildenden Künste Malerei studierte, erzählt, warum Stuttgart ihn nicht loslässt.

 
Herr Hauf, Sie waren junger Meister, hatten einen eigenen Betrieb in Hessen, entschieden sich aber, in Stuttgart Kunst zu studieren. Warum?
Aus einer traditionsreichen Handwerksfamilie kommend experimentierte ich schon als Kind mit Pigmenten. Die Fächer „Kunstgeschichte“ sowie „Form, Farbe und Schrift“ auf der Höheren Fachschule waren dann die Initialzündung weiterzumachen. Und die Liebe – mit meiner Ehefrau bin ich mahr als 40 Jahre zusammen.
Welche Rolle spielten Ihre Professoren, die Maler Gottfried von Stockhausen und Rudolf Hägele?
Technisch konnte ich nichts mehr lernen. Anregend waren die – in den 70ern durchaus politischen – Klassenbesprechungen. Beide empfahlen Ausstellungen und Künstler. Hägele legte uns Antoni Tàpies, den bedeutenden spanischen Informellen, ans Herz. Stockhausen den Italiener Giorgio Morandi, Vertreter der Pittura Metafisica, der mit menschenleeren, meditativen Stillleben das Sein erkundet. Größere Gegensätze gibt es nicht! Die Akademie war eine Zeit des Suchens für mich.
Und die Lehre?
Praxis, Disziplin, Vorgaben erfüllen. Im Studium hatte ich die Freiheit, selbst zu schauen, wo es lang geht. Das Aufstehen gewöhnt, war ich immer früher als andere an der Akademie, malte, experimentierte in den Werkstätten. Diese Verbindung von freier und angewandter Kunst ist besonders an der Akademie. Und Suchen für die Persönlichkeitsentwicklung wichtig.
Einst dominierten in Ihren Werken Dreieck – Giebelformen, die etwa für Häuser, Schutz, Zivilisation stehen –, dann Zeichen und Bewegungen. Nun formen sich „Farbabläufe“ blau, rot, beige oder weiß dynamisch in Schwüngen. Das Leben reduziert auf Punkt, Linie, Fläche und Geste?
Kunst entsteht aus dem Leben. Viele Reisen, etwa nach Texel (Niederlanden), Wildwasserfahrten in der Ardèche (Frankreich), Stipendienaufenthalte in Cardiff (Wales) und Paris, tägliche Erlebnisse, Entdeckungen, Muster, Strukturen fließen als Bildstoff in Arbeiten. Die „Farbabläufe“ sind Details, Essenzen eines Urbilds von mir. Da geht es um Mikro- und Makrokosmos, Bewegung, Fluss des Lebens, Wahrnehmung. Ich arbeite mit seriellen Untersuchungen. Mein Anliegen ist, Dinge zu ‚be-greifen’ – und Neues zu schaffen. Jede Leinwand ist ein einmaliger Dialog zwischen einem Künstler, der Welt und den Betrachtern.
Bis vor kurzem hatten Sie in Murrhardt einen Rückzugsort mit Atelier, parallel zu Stuttgart. Was bedeuten Land und Stadt für Sie?
Ich kenne die Diskrepanzen, die verschiedenen Topografien, die Menschen prägen. Auch Stadtteile haben unterschiedliche Qualitäten und Einflüsse. Das erlebte ich in Sillenbuch, wo ich ein Atelier hatte, im städtischen Atelierhaus in der Ameisenbergstraße, oder als Stipendiat der Kunststiftung. Land, das ist Ruhe, Weite, Durchatmen. Stadt bedeutet Lebendigkeit, Aktion, auch Unrast.
Seit mehr als 40 Jahren leben Sie – und arbeiten nun auch – im mehr als 100 Jahre alten Eckhaus. Wie ist es da, wo die Stadtteile Nord, West und Mitte aufeinandertreffen?
Das Haus ist Heimat, höchst inspirierend. Direkt davor ist die Stadtbahn, der Autoverkehr. Vom Fenster aus sehe ich in fünf Straßen das Leben spielen und wie sich Stadt verändert.
Die Stadt Murrhardt richtete für Sie im Frühjahr eine Retrospektive aus. Das Eckhaus wird privat geführt. War Stuttgart über die Jahrzehnte ein gutes Pflaster für Kunst?
Mit Stadt und Land kam ich gut zurecht. Kultur wird hier groß geschrieben. Klar, Stellschrauben gibt es immer – beispielsweise haben junge Künstler es bei der Ateliersuche nicht einfach. Doch das Kulturangebot in Stuttgart ist auf die Einwohnerzahl bezogen verglichen mit anderen Großstädten enorm. Ich konnte bisher einiges machen, organisierte mit Kollegen etwa Ausstellungen unterm Tagblattturm, als es noch „Kultur unterm Turm“ war, machte Kunst an Bau-Projekten. Die Bundes- und Landesregelung, nach der bei Neubauten ein Prozent der Bausumme in Kunst fließen soll, stünde allerdings auch der Stadt Stuttgart gut. Kunst ist nicht nur Dekoration von Bauten. Sie kann den Geist öffnen, Wahrnehmung und Ästhetik schulen, auf Gesellschaften positiv wirken.
Auch in Zukunft?
In diesen Zeiten ist Kunst wichtiger denn je. Sie hält am Denken. Wer aufhört zu suchen, ist nicht mehr offen. Wer aufhört, neugierig zu sein, der bleibt stehen. Bei mir stehen stapelweise Leinwände, die bearbeitet werden wollen.