Im Gespräch mit YouTube-Blogger LeFloid durfte Angela Merkel noch einmal erklären, was man längst von ihr weiß. Der Internet-Star blieb brav und zu zahm.

Berlin - Am Schluss wurde es noch einmal interessant: Da räsonierte die Kanzlerin, warum sie eigentlich keinen eigenen Fernsehsender betreibt und dort regelmäßig Interviews gibt. Das werde wohl nicht so gerne gesehen, überlegte sie und belehrte ihren Interviewpartner – der spontan fand, das wäre „bestimmt ’ne interessante Nummer“ – mit dem Hinweis: „Da fehlt der kritische Frager.“ Den hat man auch im Interview des YouTube-Bloggers LeFloid mit Bundeskanzlerin Angela Merkel vermisst.

 


Die Erwartungen an das am Montagabend veröffentlichte Gespräch waren riesig: Endlich einmal sollten alle Fragen auf den Tisch kommen, die sich sonst keiner zu fragen traut. Ein Interview mit der Kanzlerin, die gewöhnlich sehr sparsam mit Interviewzusagen ist – der Traum vieler Journalisten. Dass nun mit dem Psychologie-Studenten Florian Mundt, der als „LeFloid“ im Internet 2,6 Millionen Abonnenten erreicht, erstmals ein YouTube-Star der Bundeskanzlerin Fragen stellen sollte, die sein junges Publikum vorab formulieren konnte, galt manchen als Indiz einer kleinen Medienrevolution.

Die Erwartungen wurden freilich enttäuscht. Tatsächlich ist ein Merkel-Interview entstanden, wie es sie schon zuhauf gegeben hat – beziehungsweise war das Gesehene noch langweiliger als das, was man bisher kennt. Die „FAZ“ fragte sogar, ob es sich bei dem Gespräch überhaupt um ein Interview gehandelt habe.

Warum das vernichtende Urteil? Zum einen hört man von Merkel in den seltensten Fällen etwas, das sie noch nicht gesagt hat. So auch diesmal: Merkels Meinung zur Homo-Ehe? Die Kanzlerin ist gegen Diskriminierung, aber dafür, die Ehe für das Zusammenleben von Mann und Frau zu reservieren. NSA-Spionage? Merkel erklärt wieder, das gehe unter Freunden nicht, auf die Zusammenarbeit mit anderen Nachrichtendiensten sei Deutschland aber angewiesen. Cannabis-Legalisierung? Da ist die Kanzlerin – und auch das ist nicht neu – „ganz, ganz restriktiv“. Das Freihandelsabkommen TTIP? Merkel hält viele Ängste für unbegründet, verspricht aber, in jedem Fall die hierzulande geltenden Standards zu wahren.

„Ist ja cool“

Alles nichts Neues. „Ist ja cool“, findet LeFloid trotzdem – und das ist bezeichnend. LeFloid verstößt gleich gegen mehrere journalistische Grundregeln: Weder hakt er kritisch nach, noch wirkt er besonders gut vorbereitet. LeFloid kommentiert Merkels Monologe mit zustimmenden Ausrufen, fragt nach Merkels „Bauchgefühl“ und erläutert zwischendurch seine eigene Meinung zu Themen. Zu guter Letzt stellen die Gesprächspartner fest, dass sie beide gegen Rassismus sind und auch im Internet die Menschenwürde geachtet werden sollte.

Dem Zuschauer wird erklärt, was das Bruttoinlandsprodukt ist, dass man in der Politik auch Kompromisse machen muss, dass die Kanzlerin zuweilen schlechte Laune hat, dass sie ab und zu gerne spazieren oder in den Garten geht, wo sie „den Kopf einfach mal durchlüften“ kann. Manchmal mache sie sich auch Sorgen. Erkenntnisgewinn: gleich Null.

„Blablablaaa“

Zugestanden: LeFloid stellt seine Fragen auf launige Art und Weise, wirkt ehrlich interessiert und die Kanzlerin entspannt. Dazu hat sie allen Grund. Ihr wurde eine Bühne geboten, wie Merkel sie sich nicht besser hätte wünschen können. „Sie kann tatsächlich auch charmant“, kommentiert eine Zuschauerin auf YouTube überrascht – binnen 24 Stunden hatte weit mehr als eine Million Nutzer das Video angeklickt.

Das politische Interview hat der Youtuber indes nicht neu erfunden: so kritisieren mehrere Zuschauer, es sei „viel drum herum geredet und nicht immer auf den Punkt gebracht“ worden. Trotzdem erhält LeFloid auch Lob: Man freue sich darauf, „Dich dann ab 2016 in der ‚Le Tagesschau‘ in der ARD zu sehen“ kommentiert ein Zuschauer, und ein weiterer: „Blablablaaa.. wie erwartet! Das lag aber nicht an LeFloid!“