Der Linken-Parteichef Bernd Riexinger glättet vor dem Parteitag in Hamburg die Wogen im Europa-Streit. Im Interview mit der Stuttgarter Zeitung nimmt er Kurs auf Rot-Rot in Thüringen.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Am Wochenende entscheidet die Linkspartei über ihr Europawahl-Programm. Parteichef Riexinger hält die EU für undemokratisch, distanziert sich aber von exzessiver EU-Kritik.

 
Warum tritt die Linke zur Europawahl an, wenn Teile ihrer Partei die EU als „neoliberale, militaristische und undemokratische Macht“ sehen?
Erstens hat der Parteivorstand diesen Satz schon gestrichen. Zweitens treten wir als einzige Partei im Bundestag für eine andere Europapolitik ein. Es ist falsch, was die Kanzlerin und die Troika mit Billigung der SPD machen. Wir werben für ein soziales, demokratisches und solidarisches Europa.
Dass das Ergebnis ihrer Euro-Politik solidarisch, sozial und demokratisch ist, würden alle anderen Parteien auch sagen.
Es ist nicht sozial, wenn Kürzungs- und Verarmungsprogramme über die Schuldnerländer verhängt werden, oder wenn in Deutschland zu geringe Löhne gezahlt und ein riesiger Niedriglohnsektor in Kauf genommen werden. Damit schaffen wir erst die hohen Exportüberschüsse, die anderen Ländern Probleme bereiten.
Halten Sie persönlich die EU auch für undemokratisch und/oder militaristisch?
Niemand kann leugnen, dass in der EU Kommissare entscheiden, die nicht demokratisch gewählt sind.
Die Kommissare werden von demokratisch gewählten Regierungen entsandt.
Die Kommissionsmitglieder sind nicht direkt gewählt, während das von den Bürgern gewählte EU-Parlament fast keine Entscheidungshoheit hat. Auf EU-Ebene ist das Volk nicht der Souverän. Der erste Reformschritt wäre doch, dass das EU-Parlament über zentrale Personalien und Gesetze der EU in letzter Instanz entscheidet. Der Fiskalpakt und der Stabilitätsmechanismus zwingen die Regierungen sogar, notfalls gegen ihre nationalen Parlamente zu handeln. Das ist nicht demokratisch.
Wo verläuft die Grenze zwischen militärischer und militaristischer Außenpolitik?
Wir lehnen beides ab. Der Begriff vom „militaristischen Regime“ meint aber auch eine Militarisierung nach Innen. Die gibt es in der EU nicht. Aber die EU-Verträge verpflichten zur Aufrüstung. Das ist Fakt.
Kommt es auf Ihrem Parteitag zur Kampfabstimmung?
Nein, es liegt ja jetzt auch ein guter Kompromiss für die Präambel vor, der sicher eine breite Mehrheit finden wird. Wir haben dafür geworben, dass es einen breit getragenen Kompromiss gibt. Die Partei hat gezeigt, dass sie ohne Bastas gute Lösungen findet. In der Sache sind wir uns weitgehend einig. Es ist peinlich, dass die Bundesregierung für den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa nur sechs Milliarden Euro aufbieten will. Bei der Bankenrettung waren es 4200 Milliarden Euro.
Die sechs Milliarden sind echtes Geld und die 4,2 Billionen Euro überwiegend Garantien. Außerdem: Sie könnten eine Großbank „im Pleitefall“ auch nicht in die Insolvenz schicken, wie es in ihrem Leitantrag heißt. Selbst wenn es Ihnen gelänge, die Spareinlagen zu sichern, wären die Folgen bei anderen Unternehmen, Banken, dem Arbeitsmarkt und dem Staatshaushalt verheerend.
Erstens ist das Geld nicht zweimal da; man kann es nur einmal ausgeben. Zweitens würden wir nicht zulassen, dass eine Bank eine ganze Volkswirtschaft in den Abgrund stürzen kann. Schon die Frage zeigt, dass das ein perverser Zustand ist.
Pervers oder nicht – der Zustand war in der Finanzkrise real und ist es noch. Viele Banken sind zu groß, um sie scheitern zu lassen. Würde die Linke regieren, müsste sie eine marode Bank retten – aus Verantwortung für das Gemeinwesen.
Wenn der Staat Geld aufbringt, um eine Bank zu retten, muss er sie übernehmen, verkleinern und auf ihr Kerngeschäft reduzieren. Wir würden dafür sorgen, dass die Gläubiger, die überwiegend Vermögensmilliardäre sind, zahlen.