Die schwedische Band Mando Diao hat einen Imagewandel vollführt und spielt jetzt Elektropop. Am Mittwoch präsentiert sie ihr neues Album in Stuttgart. Benannt wurde es nach einem Sowjet-Synthesizer. Der Sänger Gustaf Norén erklärt, warum.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)
Stuttgart - Wer bei Mando Diao an Schrammelgitarren und wildes Gehüpfe auf und vor der Bühne denkt, sollte jetzt tief durchatmen. Die schwedische Band um Gustaf Norén und Björn Dixgård macht jetzt Elektropop, sie hat ihr Album nach dem Sowjet-Synthesizer Aelita benannt und präsentiert sich in bunter Funktionskleidung. Wir haben mit dem Sänger Gustaf Norén gesprochen.
Herr Norén, was haben Sie gerade an?
Einen Trainingsanzug und Flyknit-Sportschuhe von Nike. Wir haben das immer an, weil wir immer unterwegs sind. Trainingsklamotten passen viel besser zu unserem Leben als Anzüge. Aber das haben wir erst jetzt erkannt.
Das könnten Sie noch ein bisschen genauer ausführen.
Wenn du jung bist, kontrolliert dich die Gesellschaft. Ein 21-Jähriger trägt nicht, was er wirklich tragen will. Genau so ist es mit Leuten, die in den Siebzigern aufgewachsen sind – die wollen Gitarren über einen großen Verstärker spielen. Dabei kriegen sie denselben Klang aus einem Smartphone heraus. Die ganze Technik wird zur Last. Im Rock ’n’ Roll verwenden die meisten Technologie aus den Sechzigern.
Mando Diao macht jetzt auf Synthesizer. Wer hat diesen Einfluss eingebracht?
Die Leute wollen einen Namen hören, aber die ganze Kultur ändert sich. Ich habe mit Hilfe der Software Pro Tools alle Instrumente der Welt gespielt. Als wir den Aelita-Synthesizer entdeckt haben, dachten wir, das sei ein totes Ding. Aber dieses Gerät lebt. Nicht das Instrument macht den Ton, sondern der Mensch. Oder, in unserem Fall, die Band und die Crew: wir alle sind Aelita, wir sind ein großes Instrument.
Genau genommen kam das letzte „klassische“ Mando-Diao-Album 2009 heraus. Auf „Give me Fire!“ waren die Schweden so großmäulig wie nie, es gab schmissige Refrains, knallige Gitarren und mit dem Album den Chartplatz eins in etlichen Ländern. 2012 brachte Mando Diao das im Wesentlichen für den schwedischen Markt produzierte Album „Infruset“ heraus, in dem die Band schwedische Fabeln vertonte. Im Mai dieses Jahres folgte pünktlich zur Festivalsaison Aelita. In Deutschland erreichte das Album Platz 6 der Albumcharts und wurde wenig euphorisch aufgenommen. Das Mando-Diao- Konzert in Stuttgart findet nicht wie geplant in der Porsche-Arena statt, sondern im viel kleineren Hegelsaal der Liederhalle – weil die Band Mando Diao jetzt nicht mehr das macht, wofür man sie kennt?
Robbie Williams hat 2006 mit dem Album „Rudebox“ etwas ganz Neues gemacht. Nur wenige haben dies verstanden . . .
. . . Nein! Sehen Sie das nicht als Problem – nicht zu verstehen heißt zu denken. Wer aufhört zu denken ist ein leichtes Ziel.
Nach „Rudebox“ ist Williams wieder zu seiner Rolle als Crooner zurückgekehrt.
Ja, aber als er bei Take That ausgestiegen ist, war das gegen alles, was wir bisher von ihm gelernt hatten. Jeder Künstler, der irgendwas von Dauer geschaffen hat, wurde von seinen Zeitgenossen nicht verstanden. Als Jazz aktuell war, haben viele das nicht einmal als Musik bezeichnet. Dreißig Jahre später ist Jazz etabliert. Nur: alte Leute hören Blues, Jazz, vielleicht Funk – und dann endet für sie die Musikgeschichte. Warum hören sie nicht Hip-Hop oder House?
Warum spielen Sie live die alten Hits, wenn Sie doch etwas Neues schaffen wollen?
Wir wollen nichts Neues, wir wollen gar nichts, auch nicht Hits schreiben. Alle wollen immer eine Antwort. Es gibt eine Million Antworten. Die Frage ist die Antwort!
Nicht nur der Sound auf dem Album, auch die Bühnenshow von Mando Diao ist neu. Bei ihren Festivalshows im Sommer wurde unter anderem Keytar gespielt, also der Synthesizer in Gitarrenform zum Umhängen. Wer die deutsche Popmusik der Achtziger kennt, denkt da sofort an ein Duo . . .
Was fällt Ihnen zu Modern Talking ein?
Ich werde sauer, wenn jemand Modern Talking hasst – oder jeden anderen, der Musik schreibt. Niemand kann beweisen, dass die Ramones besser seien als Modern Talking. Dabei glauben das selbst Modern-Talking-Fans. Auch ich dachte mal, Modern Talking hätte schlechte Musik gemacht. Aber wer Musik in gut und schlecht unterteilt, unterteilt auch Menschen in gut und schlecht.
Thomas Anders hat bei Modern Talking oft die Keytar gespielt. Auf „Aelita“ ist der Keytar-Spezialist Jan Hammer zu hören. Werden wir ihn bei der Stuttgart-Show sehen?
Nein. Auf der Bühne werden wir aber zu siebt sein, wie ein Raumschiff.
Ich habe Ihren Auftritt bei Rock am Ring gesehen. Das sah nicht nach Raumschiff aus.
Unsere Hallenshows werden mehr wie Theater, wie eine Oper. Klar werden einige Songs so klingen wie bei Rock am Ring. Vieles wird davon abhängen, wie wir uns fühlen. Wir wollen zu den Leuten sprechen.
Um ihnen was mitzugeben?
Dasselbe Gefühl, wie wenn Leute in die Kirche gehen: sich gut zu fühlen, aber auch nachzudenken und inspiriert zu sein.