Nach der Schlichtung ist vor der Schlichtung: Die Parkschützer demonstrieren heute wieder gegen Stuttgart 21. Vom Schlichterspruch sind sie enttäuscht, sagt ihr Sprecher Matthias von Herrmann im Interview.

Stuttgart - Am Runden Tisch der Schlichtung wollten die Parkschützer nicht Platz nehmen, vom Ergebnis sind sie nun enttäuscht. Im Interview äußert sich der Sprecher der Parkschützer, Matthias von Herrmann, zu Heiner Geißlers Vorschlag, die Bäume im Schlossgarten zu verpflanzen und kündigt an, den Protest gegen Stuttgart 21 nicht aufzugeben.

Herr von Herrmann, in einer aktuellen Umfrage von Stuttgarter Zeitung und SWR sprechen sich 54 Prozent der Befragten für Stuttgart 21 aus. Stehen Sie mit den Parkschützern bald alleine da?


Dass 54 Prozent für Stuttgart 21 sind bedeutet ja nicht, dass wir allein da stehen. Zu diesem Wert hat wohl vor allem der Schlichterspruch beigetragen. Die Widersprüche, die er enthält, sind bis jetzt noch nicht aufgegriffen und dargestellt worden. Die Bevölkerung müsste erst einmal darüber aufgeklärt werden, was der Schlichterspruch überhaupt bedeutet. Die Geologierisiken beispielsweise sind dadurch nicht einfach verschwunden. Und für ein neuntes und zehntes Gleis gibt es gar keinen Platz. Unter dem Strich wird nichts besser, alles bleibt beim Alten.

Die Schlichterspruch bringt in Ihren Augen also nichts?


Er ist enttäuschend. Wer genau zugehört hat, dem ist aufgefallen, wie viele Kritikpunkte zutage getreten sind. Zu denen, die aus den Reihen des Widerstands genannt wurden, sind neue hinzugekommen. Ein Beispiel ist der Fahrplan, der gar nicht funktionieren kann. Wenn ein Zug in einem einminütigen Zeitfenster auf ein Gleis fahren muss, ist das Chaos vorprogrammiert. Ein weiterer Punkt ist das Thema Geologie. Einblicke in die Geologie-Gutachten hätte die Bahn zum Beispiel nur dann genehmigt, wenn man sich zu 30 Jahren Stillschweigen verpflichtet hätte. Auf diese Weise sind wesentliche Dokumente gar nicht auf den Tisch gekommen.

Heiner Geißler fordert in seinem Schlichterspruch, die Bäume im Schlossgarten nicht zu fällen, sondern zu verpflanzen. Das muss Ihnen doch gefallen?


Wenn Stuttgart 21 in allen Punkten positiv wäre und man die Bäume tatsächlich verpflanzen könnte, dann wären wir Parkschützer damit einverstanden. Aber so ist es nicht. Wir reden hier über 150-jährige Platanen, die können Sie nicht einfach so verpflanzen. Es gibt eine einzige Firma, die für Bäume mit einem Stammumfang von 80 bis 100 Zentimetern Verpflanzungen anbietet. Die Bäume, um die es im Schlossgarten geht, haben einen Stammumfang zwischen drei und vier Metern. Dafür gibt es kein technisches Gerät. In einem Schreiben an die Mitarbeiter sagt Bahnchef Rüdiger Grube, dass im Schlossgarten keine gesunden Bäume gefällt, sondern verpflanzt werden sollen. Wenn er sich daran hält, dann ist Stuttgart 21 nicht möglich. Wenn die Bahn das Grundwasser im Schlossgarten absenken würde, würden die Bäume natürlich irgendwann krank werden – und kranke Bäume dürfen gefällt werden.

Bahnchef Rüdiger Grube hat angekündigt, die Bauarbeiten nicht überstürzt wieder aufnehmen zu wollen. Glauben Sie ihm das?


Eigentlich hätten schon am Freitagfrüh um fünf Uhr die Bäume am Nordausgang gefällt werden sollen. Wir haben bereits am Montag davon erfahren und dann alles dafür getan, dass es publik wird. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag war ich dann selbst vor Ort – die Bäume sind nicht gefällt worden. Das empfinden wir als unser Verdienst. Nach dem Schlichterspruch wäre es für die Bahn so gut wie unmöglich gewesen, die Bäume tatsächlich fällen zu lassen.

Welche Aktionen planen die Parkschützer in den kommenden Wochen?


Wir werden weiterhin direkte Aktionen gegen Stuttgart 21 durchführen. Für das Technikgebäude müssen am Nordausgang 77 Bäume gefällt werden- Wir werden uns auch diesen Baumfällungen und Baumaßnahmen mit allen friedlichen Mitteln entgegenstellen. Auch bei weiteren Aktionen des zivilen Ungehorsams stellen wir uns bewusst mit unserem Körper zwischen schützenswerte Güter und die Zerstörer. Eventuelle Strafen nehmen wir dabei bewusst auf uns, da uns der Erhalt der Bäume, der Quellen und des funktionierenden Bahnhofs wichtiger ist als Geldstrafen. Unsere Aktionen sind immer friedlich. Dass etwas gesetzeswidrig ist, bedeutet nicht, dass es nicht auch friedlich sein kann.