Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)
Manche glauben, dass durch die VW-Affäre der Trend zum Elektroauto verstärkt wird. Als Experte für Verbrennungsmotoren sind Sie da wahrscheinlich anderer Ansicht.
Ich beschäftige mich nicht nur mit Verbrennungsmotoren, sondern generell mit Fahrzeugantrieben. Ich kann das also völlig wertfrei betrachten – und klipp und klar sagen: Wenn man von der Liga der 100 000-Euro-Autos wie dem Tesla Model S absieht, sind wir in keinster Weise in der Lage, Fahrzeuge hinzustellen, die dem Kunden als reine E-Autos den Gesamtnutzen bieten, den ein Auto mit Verbrennungsmotor oder ein Hybridauto hat. Ganz abgesehen davon, dass beim E-Auto gerne vergessen wird, wie der Strom produziert wird und welche CO2-Emissionen dabei entstehen.
Was muss VW jetzt tun?
Momentan erscheint es fast so, als ob sie bei VW noch nach der Lösung suchen. Auf jeden Fall brauchen sie eine Lösung, die in kurzer Zeit darstellbar ist und gleichzeitig so gut funktioniert und robust ist, dass der Kunde hinterher kein schlechteres Auto hat.
Werden die Motoren in den Sparmodus versetzt und haben dann weniger Leistung?
An der Leistung wird sich aller Voraussicht nach nichts ändern. Der Volllastbereich mit der maximalen Motorleistung wird im Testzyklus ohnehin nicht erreicht. Wenn für die Kunden Nachteile entstehen, dann könnte dies beim Kraftstoffverbrauch sein. Der könnte etwas zunehmen, wenn die Abgasreinigungseinstellung des Prüfzyklus auf die Straße übernommen wird. Eine denkbare Alternative wäre aber auch, alles so zu lassen wie es ist. Die Autos halten ja im Testzyklus die Grenzwerte ein und das werden sie mit der dann geänderten Einstellung auch. Ob und in welche Richtung sich dadurch auch die Emissionen auf der Straße verändern, ist eigentlich gar nicht Gegenstand der aktuellen Debatte um VW. Es gibt Juristen, die sagen: Es ist ja auch niemand geschädigt worden – noch nicht mal die Umwelt.
Das bestreiten Umweltschützer. Sie argumentieren etwa, dass höhere Schadstoffwerte zu mehr Krebsfällen führen könnten.
Dass das so ist, stimmt natürlich, aber die Hersteller müssen sich zunächst mal an die Gesetze halten. Und dort steht ganz klar, dass die Grenzwerte im Testzyklus eingehalten werden müssen, ohne dass spezielle, nur für den Testzyklus gültige Motorkennfelder eingesetzt werden. Es findet sich zwar der Hinweis, dass die Emissionsgrenzen auch im Normalbetrieb einzuhalten seien. Aber nirgends wird definiert, was unter „Normalbetrieb“ zu verstehen ist.
Da gibt es offenbar eine Gesetzeslücke.
Als Gesetzeslücke würde ich das nicht bezeichnen. Bis vor ganz kurzer Zeit waren wir auch gar nicht in der Lage, auf der Straße Schadstoffemissionen genau genug zu messen. Und was ich nicht genau genug messen kann, kann ich auch nicht wirklich reglementieren.
Ist es nicht eher so, dass die Industrie nach Kräften an den Gesetzen mitschreibt?
In gewisser Hinsicht muss sie das auch. Sie hat es vielleicht sogar zu wenig getan. Sonst wäre die Euro-5-Norm vielleicht zwei Jahre später gekommen – und die Technik schon weiter gewesen. Entscheidend ist doch aber, dass die heutigen Fahrzeuge das Problem nicht mehr haben.
Wirklich? Bei Tests von „Auto-Bild“ haben aktuelle Dieselautos im WLTP-Zyklus bis zu 15 mal mehr Stickoxide emittiert als erlaubt.
Ohne es nachgeprüft zu haben, würde ich mal davon ausgehen, dass die getesteten Fahrzeuge noch gar nicht für den WLTP entwickelt waren. Erst mit der verbindlichen Einführung des WLTP, frühestens ab 2017, werden Neufahrzeuge dann mit diesem Test zugelassen. Und erst ab 2018 – mit Einführung der Straßenmessung RDE – werden die Emissionen der Fahrzeuge relativ unabhängig vom Testzyklus sein. Bis dahin ist noch sehr viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten.
Warum hat VW Probleme und andere Hersteller – bis jetzt – nicht? Haben die keine vergleichbare Software für Abgastests genutzt?
Man kann moderne Autos nicht auf einem Prüfstand testen, ohne den Steuergeräten mitzuteilen, dass sie sich auf einem Prüfstand befinden. Man muss zum Beispiel die Radsensoren, aber auch den Beschleunigungssensor umgehen, sonst geht der Motor auf dem Prüfstand in eine Art Notlauf, weil die Elektronik ihm sagt: Das Auto steht, da stimmt was nicht. Die Frage ist nur, wie die Motorsteuerung auf diese Information reagiert – wie also das Motorkennfeld und die Abgasreinigung angepasst werden. So wie es aussieht, hat VW dabei nicht sauber gearbeitet. . .
.. . . und gehofft, damit irgendwie durchzukommen.
Ja. Die haben die möglichen Folgen völlig falsch eingeschätzt – obwohl klar war, dass ihr Vorgehen nicht korrekt war. Aber all das ist längst Vergangenheit eines mittlerweile überholten Technologiestandes. Ein Diesel von heute, der die gültige Euro-6-Norm erfüllt, ist so sauber wie ein Benziner und verbraucht weniger.