Niels Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, fordert „schnell Klarheit“ beim Brexit. Das Taktieren von Kanzlerin Merkel hält er für falsch.

Berlin - Niels Annen, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, fordert „schnell Klarheit“ beim Brexit.

 
Herr Annen, Kanzlerin Merkel will nach der Brexit-Abstimmung nichts überstürzen. Die SPD will von den Briten schnell Klarheit. Welche Strategie empfehlen Sie?
Ich habe wenig Verständnis für das Verhalten der Bundeskanzlerin. Europa befindet sich wahrscheinlich in seiner schwersten Krise und Frau Merkel taktiert. Das ist der falsche Umgang mit der Krise. Wir brauchen jetzt schnell Klarheit. Die Bevölkerung in Großbritannien hat entschieden und wir müssen jetzt dafür sorgen, dass das restliche Europa zusammenbleibt.
Das Auswärtige Amt hat in dieser Streitfrage auf die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin in der Außen- und Europapolitik verwiesen. Heißt das, Außenminister Steinmeier muss klein bei geben?
Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat durch seine Gespräche an diesem Wochenende bereits die Initiative ergriffen. Zudem hätte außerhalb des Berliner Politikbetriebs angesichts der Dramatik der Lage ohnehin niemand Verständnis für Kompetenzdiskussionen. Die SPD möchte eine gemeinsame, in der Sache unmissverständliche Haltung der Bundesregierung, das ist doch völlig klar. Deshalb muss es auch eine rasche Verständigung mit dem Kanzleramt geben.
Warum soll es jetzt ganz schnell gehen?
Die Frage, wie es weitergehen soll mit Europa, verunsichert viele: die Märkte, die Regierungen, vor allem aber die Bürgerinnen und Bürger. Wir müssen den Euroskeptikern und Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln nehmen. Es darf erst überhaupt nicht der Eindruck entstehen, dass ein EU-Austritt wegen einer zögerlichen Haltung Europas am Ende sogar noch ein rentables Geschäft ist. Deshalb müssen die Pro-Europäer die Initiative übernehmen. Wir müssen insbesondere verhindern, dass jemand, der austreten will, die Vorteile der Mitgliedschaft trotzdem auf unbestimmte Zeit weiter genießt. Manche Regierungen in Europa fänden ein solches Modell womöglich reizvoll. Deswegen war es richtig, dass Außenminister Steinmeier so schnell die Initiative ergriffen hat. Die Kanzlerin sollte sich daran ein Beispiel nehmen. Denn es wird sehr viel in Europa davon abhängen, wie sie sich verhält. Viele schauen in Europa jetzt auf Berlin.