Der Stuttgarter Özgür Yelmen konnte unter dem Namen "Ninetoes" mit dem Tune "Finder" einen weltweiten Clubhit landen und legt seitdem rund um den Globus auf. 

Stuttgart - Bis vor einem Jahr war der Stuttgarter DJ Passion anderthalb Dekaden lang überwiegend im süddeutschen Raum als HipHop-DJ bekannt. Dann veröffentlichte Özgür Yelmen den eingängigen House-Tune „Finder“ unter dem Alias Ninetoes – Özgür hat nur neun Zehen – und seine Karriere bekam einen ungeahnten Schub. „Finder“ entwickelte sich im Laufe des Sommers weltweit zu einem der größten Clubhits des Jahres 2013. Seitdem wollen die internationalen Clubs den Typen von „Finder“ in ihrem Laden haben. Jetzt jettet Özgür Woche für Woche von Rio nach London und von Zürich nach Shanghai. Die Tage hat Ninetoes die Folgesingle „Escape“ veröffentlicht und erzählt aus diesem Anlass uns Stuttgarter Stadtkindern ein wenig über den Alltag eines durch die Welt segelnden Vielflieger-DJs.

Wenn man dir vor einem Jahr gesagt hätte, bald legst Du jede Woche auf der ganzen Welt auf - was hättest du darauf hin geantwortet?
Dadurch, dass ich ja in den letzten 15 Jahren so ziemlich überall auf der Welt war und aufgelegt habe, hätte mir das vielleicht nicht so imponiert. Aber wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, ich werde überall auf der Welt House und Techno auflegen, hätte ich schon doof aus der Wäsche geschaut.

Deine neue Nummer hat relativ lange auf sich warten lassen. Stellt sich da auch ein Druck ein, wenn man so einen weltweiten Konsenskracher gelandet hat?
Nee, überhaupt nicht. Ich hatte „Escape“ eigentlich schon Anfang 2013 ready. Aber habe dann immer wieder paar Kleinigkeiten an dem Stück verändert. Dass die zweite Single jetzt genau nach einem Jahr rauskommt. war auch gewollt von mir. Ich wollte nicht mit Quantität sondern mit Qualität punkten. Deswegen habe ich auch von gefühlten 5000 Remix-Anfragen letztes und dieses Jahr nur fünf angenommen.

 

Dank „Finder“ bist du noch mehr unterwegs. Skizziere uns Daheim-in-Stuttgart-Hockern ein bisschen deinen Wochenendalltag.
Meistens wird man von einem Promoter oder von einem Fahrer am Flughafen abgeholt und ins Hotel gebracht. Danach gibt es dann ein Abendessen mit der ganzen Crew (DJs / Veranstalter), damit man sich ein wenig kennenlernt und danach geht es wieder ins Hotel. Im Hotel bereite ich meistens mein Set für den Abend vor und werde dann, je nachdem wann mein Set beginnt, eine halbe Stunde davor abgeholt und dann geht es auch gleich los. Im Gegensatz zu HipHop-Parties ist das Publikum viel mehr auf den DJ fixiert, fast ausschließlich wegen der Musik im Club und will nur tanzen. Und wenn man dann loslegt, starren alle in Richtung DJ Kanzel und ich bin dann komplett in meiner eigenen Welt und vergesse alles um mich herum! In der Regel sind meine Sets anderthalb bis zwei Stunden lang. Danach geht es direkt wieder ins Hotel und das wiederholt sich zwei-, drei-, viermal die Woche.

Da prasseln bestimmt innerhalb kürzester Zeit wahnsinnig viele Eindrücke auf dich ein.
Ist auf alle Fälle faszinierend, wenn ich z.B. innerhalb von drei Tagen auf zwei Kontinenten und in vier Ländern bin. Ist teilweise schon eine Art Culture Clash. Aber diese Erfahrungen sind Gold wert. Es heißt ja nicht umsonst: Reisen bildet (lacht).

Vielflieger-DJs sprechen oft von Strapazen. Ist das ein Gejammer oder wirklich Stress?
Ist auf jeden Fall eine stressige Angelegenheit. Ich selbst liebe es zu reisen. Aber weil man relativ spät anfängt aufzulegen - meistens zur Primetime zwischen 2 bis 4 Uhr nachts - kommt man dann auch sehr spät zum Schlafen. Und wenn dann dein nächster Flug schon mittags um 12 Uhr geht, hat man leider wenig Schlaf und dann läuft man den ganzen Tag wie ein Zombie durch die Gegend. Ich wünschte, die Leute, die denken, ich hab den einfachsten Job, die sollten mal mit mir einen Monat mitkommen, durch die Welt fliegen und da und dort zwei bis drei Stunden auflegen. Mal schauen, was die nach so nem 'Standard-Monat' von mir darüber denken.

Kannst Du Vergleiche ziehen zwischen einzelnen Länder und dann wiederum zwischen Städten? Wo ist besonders gut?
Aus Party- und DJ-Sicht kann man das so nicht verallgemeinern. Es kommt immer darauf an, wer in gewissen Ländern dich bucht, hosted und wie die Party dann am Abend ist. Rein menschlich habe ich in den einzelnen Ländern zum Glück bislang keine negativen Erfahrungen gemacht.

Krassestes Erlebnis bislang?
Party-mässig definitiv der Gig im Londoner Ministry of Sound. Ich habe dort im Februar zusammen mit Basement Jaxx auf dem Mainfloor gespielt. Wahnsinniges Soundsystem und Lightshow und ca. 1500 Leute, die vor dir stehen und durchdrehen. Das war schon ein Gänsehautfeeling. Beim Reisen ist mir einmal folgendes passiert. Ich bin aus Istanbul zurück nach München geflogen. Da saß ein sehr stämmiger, dezent nach Alkohol riechender Mann mit einem sehr ausgeprägten bayrischen Akzent neben mir. Wir hatten das Glück, auf einem Notausgangsplatz zu sitzen, wo man ja etwas mehr Beinfreiheit hat. Der Typ hat aber von der ersten Sekunde angefangen in seinem hochbayrisch rumzunörgeln, dass er extra Geld gezahlt hätte, um mehr Beinfreiheit zu bekommen. Man hätte vor lauter Beinfreiheit Schlittschuh laufen können. Dann hat er sich bei der Stewardess beschwert, angefangen die arme Frau zu beleidigen und sogar am Arm gepackt. Dann sind gleich zwei, drei andere Männer inklusive mir dazwischen und der Typ hat um sich geschlagen. Zwei Reihen vor uns war zufällig ein Polizist in Zivil im Flieger. Der hat seine Marke gezückt, den Typen mit einem James Bond Move auf seinen Sitz geworfen und sofort die Polizei gerufen. Der Motzer wurde zwei Minuten später festgenommen und mitgenommen. Somit hatte ich dann ein Fussballfeldgroßen Sitzplatz und der Bayer freut sich wahrscheinlich gerade hinter schwedischen bzw. türkischen Gardinen, dass Bayern jetzt schon Meister ist, hehe.

Glück gehabt. Seit Anfang des Jahres suchst du dein Glück in Berlin. Welche Gründe gab es für den Umzug?
Ich pendele schon seit über sieben Jahren zwischen Stuttgart und Berlin und wollte eigentlich schon früher hochziehen, aber das hätte zu der Zeit wenig Sinn gemacht, da ich damals als HipHop-DJ 80% meiner Jobs im süddeutschen Raum hatte. Heute sollte nur ein Flughafen in der Nähe sein. Und Berlin ist nunmal die Stadt im Musikbusiness. Hier sind viele Plattenfirmen, DJs, Produzenten, Clubs. Der Weg zu allem ist viel kürzer und alles geht schneller. Man lernt hier teilweise auf einer Party auf einen Schlag fünf krasse Typen kennen, die dir dann ganz neue Möglichkeiten bieten können, ob jetzt musikalisch oder auch Connections.

Was sind Deine Pläne für dieses Jahr?
Nach „Escape“ soll schon im Mai auf dem Label Play It Down meine dritte Single erscheinen, zudem kommen noch ein paar Remixe und natürlich viel,viel auflegen! Da ab nächsten Monat wieder die Sommersaison losgeht, heißt das für die meisten Urlaub, und für mich teilweise zwei Gigs am Tag. Aber ich freu mich schon drauf. Es wird auf jeden Fall ein tolles Jahr.

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