Christian Lindner wollte die Verengung auf Wirtschaftsthemen auflösen. Sie gelten als liberal-konservativ, alte Schule. Wohin wollen Sie die Partei programmatisch führen?

 

Wir diskutieren gerade über ein neues Grundsatzprogramm, und diesen Prozess werde ich zu Ende führen. Im Grundsatz bleibe ich aber dabei: die liberale Partei in Deutschland muss sich nicht neu erfinden. Wir haben ein Grundsatzprogramm, das in weiten Teilen seine Aktualität nicht verloren hat. Wir werden weiter als einzige Partei sagen: Privat vor Staat. Eine neue Positionierung ist da nicht erforderlich. Wir werden in Ergänzung des aktuellen Programms allerdings Antworten geben müssen auf neue Fragen, etwa die Weiterentwicklung der digitalen Welt, den Klimawandel oder den internationalen Terror.

Stört es Sie, als konservativ zu gelten?

Ich bin ein klassischer Liberaler, nicht konservativ oder links. Liberal reicht. Dass ich die Wirtschaftsthemen stark in den Blick nehme, liegt sicher daran, dass ich selbst Unternehmer bin. Aber deshalb sind mir die Bürgerrechtsthemen nicht fremd. Solche Befürchtungen stammen aus einer Zeit, in der wir noch mehrere Flügel hatten, die sich gerne befehdeten. Ich glaube, der FDP ist gut bekommen, dass sie in der Zeit unter Guido Westerwelle ihr Flügeldenken abgelegt und mit einem geschlossenen, starken Corpus agiert hat.

Plante Christian Lindner einen Putsch?

Haben Sie Belege für Ihre These, Ihr Vorgänger Christian Lindner habe mit seinem Rücktritt einen Putsch erzwingen wollen, um am Ende den Chefposten zu übernehmen?

Natürlich spricht man in der Partei über mögliche Motive für diesen Schritt. Die habe ich dargelegt, mir aber ausdrücklich keine der verschiedenen Deutungen zu eigen gemacht. Was der ausschlaggebende Grund für diesen Schritt war, weiß nur Christian Lindner alleine. Und es ist sein gutes Recht, diese Gründe privat zu halten.

Ihre Partei liegt bei drei Prozent, die Basis ist frustriert. Keine guten Voraussetzungen für Ihre erste Rede beim Dreikönigstreffen.

Die FDP ist nach einem sehr schwierigen Jahr 2011 jetzt gefordert, zu neuer Geschlossenheit zurückzufinden. Wir hatten 2011 erst die Kernschmelze in Fukushima zu verkraften, die die Innenpolitik stark beeinflusst hat. Wir haben noch immer mit der europäischen Staatsschuldenkrise eine gewaltige Herausforderung zu meistern. Und wir haben innerparteilich einen sehr spannenden, aber auch zermürbenden Diskussionsprozess über den richtigen Weg der FDP bei dieser Eurorettung hinter uns. Deshalb ist der erste Schritt jetzt an Dreikönig, die liberale Botschaft klarzumachen. Der zweite wird sein, diese dann auch mit neuer Geschlossenheit zu vertreten.

Man kann solche Durchhalteappelle bei der FDP nicht mehr hören. Was macht Sie zuversichtlich, dass sie diesmal fruchten?

Der Verlauf des Jahres 2011 ist für uns alle Mahnung und Warnung zugleich. Wir sollten alle gelernt haben, dass es einer Partei nicht weiterhilft, kurz nachdem sie ihre Führung neu sortiert hat, erneut Führungsfragen zu diskutieren. Wir sollten da nicht den Fehler machen, den die SPD in Zeiten der Großen Koalition machte, als sie halbjährlich Personaldebatten führte. Es hat sich die politische Landschaft so verändert, dass genügend Raum für liberale Politik bleibt. Voraussetzung für den Erfolg ist aber, dass wir nach dem Mitgliederentscheid zur Eurorettung jetzt mit einer Stimme sprechen und nicht weiter als zerstrittene Partei wahrgenommen werden.

"FDP verteidigt die Interessen der Mitte"

Manche behaupten, die FDP sei überflüssig? Ist sie das?

Es gibt außer der FDP keine Partei in Deutschland, die konsequent zur sozialen Marktwirtschaft steht und die Interessen der Mitte der Gesellschaft verteidigt. Wir haben die fatale Situation, dass wir so viele Steuereinnahmen haben wie nie zuvor, aber zugleich fast alle Parteien nach zusätzlichen Steuereinnahmen rufen. Sie verkennen dabei aber, dass schon jetzt die Mehreinnahmen von denen erbracht werden, die jeden Morgen aufstehen und zur Arbeit gehen. Alle anderen Parteien glauben, noch mehr Geld in der großen Kasse des Bundesfinanzministers würde die Probleme lösen. Diesem Trend muss man widerstehen. Das ist die Aufgabe der FDP, und da sehe ich keine ernsthafte Konkurrenz.

Also: Mehr Netto vom Brutto?

Dahinter steckt ein komplexes staatspolitisches Verständnis. Wir müssen deutlich machen, dass eben nicht mehr Geld für den Staat die Probleme löst, sondern dass Deutschland immer dann stark war, wenn das Land seinen Bürgerinnen und Bürgern, der Mitte der Gesellschaft, viel zugetraut hat. In den vergangenen Krisenmonaten hat sich gezeigt, dass die mittelständischen Unternehmer und die fleißigen Arbeitnehmer mehr leisten konnten als alle Konjunkturprogramme der Großen Koalition.

In der Mitte wähnt sich die Union auch.

Allein die Debatte über den Mindestlohn bei der Union macht doch deutlich, dass auch bei der Union die Zweifler an der Sozialen Marktwirtschaft stärker werden. Deshalb ist es klug und richtig, dass wir an der Stelle die Furche halten.

Diskussion über ein neues Grundsatzprogramm

Christian Lindner wollte die Verengung auf Wirtschaftsthemen auflösen. Sie gelten als liberal-konservativ, alte Schule. Wohin wollen Sie die Partei programmatisch führen?

Wir diskutieren gerade über ein neues Grundsatzprogramm, und diesen Prozess werde ich zu Ende führen. Im Grundsatz bleibe ich aber dabei: die liberale Partei in Deutschland muss sich nicht neu erfinden. Wir haben ein Grundsatzprogramm, das in weiten Teilen seine Aktualität nicht verloren hat. Wir werden weiter als einzige Partei sagen: Privat vor Staat. Eine neue Positionierung ist da nicht erforderlich. Wir werden in Ergänzung des aktuellen Programms allerdings Antworten geben müssen auf neue Fragen, etwa die Weiterentwicklung der digitalen Welt, den Klimawandel oder den internationalen Terror.

Stört es Sie, als konservativ zu gelten?

Ich bin ein klassischer Liberaler, nicht konservativ oder links. Liberal reicht. Dass ich die Wirtschaftsthemen stark in den Blick nehme, liegt sicher daran, dass ich selbst Unternehmer bin. Aber deshalb sind mir die Bürgerrechtsthemen nicht fremd. Solche Befürchtungen stammen aus einer Zeit, in der wir noch mehrere Flügel hatten, die sich gerne befehdeten. Ich glaube, der FDP ist gut bekommen, dass sie in der Zeit unter Guido Westerwelle ihr Flügeldenken abgelegt und mit einem geschlossenen, starken Corpus agiert hat.

Wirbel vor dem Neustart

Dreikönigstreffen: Die Erwartungen an die Rede des Parteichefs in Stuttgart sind groß. Philipp Rösler soll Optimismus wecken und den Handlungsrahmen für die kommende Zeit abstecken. Nach den Querelen um den Mitgliederentscheid über die Eurorettung und dem Rücktritt des Generalsekretärs Christian Lindner hofft Rösler, der im Dezember selbst um sein Amt fürchten musste, die Lage zu beruhigen.

Lästerei: Kurz vor diesem für Rösler so wichtigen Treffen hat ausgerechnet sein neuer Generalsekretär Döring im Gespräch mit dem „Stern“ angeblich ausgeplaudert, was er über seinen Chef denkt. „Dieses Jeder-gegen-Jeden ist mir auch zuwider, und ihm noch mehr, weil er kein Kämpfer, sondern ein Wegmoderierer ist“, wird Döring zitiert. Auch sein Vorgänger Lindner wird hart angegangen, dieser habe mit seinem Rücktritt den Sturz Röslers bewirken wollen, um sich dann selbst an die Spitze zu setzen. In der Partei ist angesichts dieser Äußerungen der Unmut groß. Zumal Döring selbst sagt, dass Debatten über das Führungspersonal die FDP weiter schwächen würden.