Exklusiv Der Schauspieler Peter Weck übt harsche Kritik am heutigen Fernsehen. „Das Niveau ist erschütternd“, sagte er in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung. Es habe sich teilweise ein erschreckender Dilettantismus eingeschlichen.

Stuttgart -

 
Seit sechzig Jahren zählt Peter Weck, 1930 in Wien geboren, zu den beliebtesten deutschsprachigen Schauspielern. Er hat in über hundert Filmen mitgewirkt und fürs Fernsehen gut drei Dutzend Filme und Serien inszeniert, darunter die populäre ZDF-Serie „Ich heirate eine Familie“ (1983–86), in der er auch die Hauptrolle spielte. Zudem war er Ende der achtziger Jahre gleichzeitig Intendant von drei Wiener Theatern. 45 Jahre lang war Weck mit einem früheren Mannequin verheiratet, seine Frau starb vor zwei Jahren. Am Sonntag spielt er im „Tatort: Paradies“ den Bewohner eines Altenheims.
Herr Weck, Dreharbeiten sind in der Regel strapaziös. Warum tun Sie sich das an?
Weil ich ein altes Zirkuspferd und glücklicherweise noch in guter Verfassung bin. Aber natürlich schaue ich mir ein Drehbuch genau an, und wenn ich ahne, dass die Herausforderung zu groß wird, nehme ich die Rolle nicht an.
Viele Schauspieler kritisieren, dass für Fernsehfilme immer weniger Drehtage zur Verfügung stehen. Wie war das bei dem „Tatort“, den die ARD morgen zeigt?
Der Produzent des Films, Dieter Pochlatko, ist ein Mann der alten Schule. Er schätzt Qualität, deshalb hat er keinerlei Druck auf den Regisseur ausgeübt. Aber generell ist es richtig: die Verkürzung der Drehzeit ist ein Problem. Die Produzenten haben viel weniger Spannkraft als früher, was das Geld angeht. Umso mehr kommt es darauf an, wie seriös jemand ist. Da erlebt man mitunter die furchtbarsten Dinge.
Was denn zum Beispiel?
Als junger Schauspieler habe ich mir vorgenommen, später niemals den Satz „Früher war alles besser“ auszusprechen. Aber früher waren Produzenten und Regisseure einfach in einer anderen Position als heute. Beim Fernsehen hat sich teilweise ein erschreckender Dilettantismus eingeschlichen. Damals haben Produzenten Schauspieler, die sie schätzten, aufgebaut, heute handelt man nach der Maxime „Hat der eine keine Zeit, nehmen wir einen anderen“. Deshalb tummeln sich im Fernsehen so viele Einsteiger, die nicht mal den Beruf beherrschen. Heute kommt man ja schon vor die Kamera, ohne je eine Schauspielschule von außen gesehen zu haben. Das ist sehr traurig. Entsprechend froh war ich, beim „Tatort“ mit ausgezeichneten professionellen Kollegen und Regisseuren zusammenzuarbeiten.
Regisseure sind also auch nicht mehr das, was sie mal waren?
Ein guter Regisseur sieht Fehler, weil er eine Vorstellung vom fertigen Film und den Figuren hat; ein schlechter macht bloß Bilder und schickt seine Schauspieler von A nach B. Das sind Platzanweiser, aber keine Regisseure. Viele von ihnen arbeiten jedoch schnell, und die meisten Produzenten haben lieber einen Regisseur, der sieben Minuten pro Tag dreht statt nur fünf. Auf diese Weise verflacht das Fernsehen immer mehr.
Bleiben noch die Sender. Wie ist es um die Qualität der Redakteure bestellt?
Auch nicht besser. Ich weiß gar nicht, woher sich viele dieser Menschen das Recht nehmen, sich einzumischen. Ich habe oft genug erlebt, dass ein Redakteur nicht in der Lage war, ein Drehbuch richtig zu lesen. Ich möchte aber betonen, dass all das für den „Tatort“ nicht galt. Ich bin seit Jahren nicht mehr so gern zu Dreharbeiten gefahren wie bei diesem Film.
Ihre letzte Regiearbeit liegt sieben Jahre zurück. Hängt das auch mit den geschilderten Rahmenbedingungen zusammen?
Natürlich! Es ist zwangsläufig zu Auseinandersetzungen gekommen, dann hieß es irgendwann „Der Weck ist schwierig“. Wenn ich zum Drehort komme, weiß ich, was ich will, und muss mich nicht erst den halben Vormittag lang mit dem Kameramann darüber unterhalten, wie wir eine Szene auflösen. Ist der Film dann fertig, maßt sich ein Redakteur an, daran herumzuschneiden, obwohl er keine Ahnung hat. Das mache ich nicht mehr mit.
Haben Sie eine Erklärung für diese traurige Entwicklung?
Es gibt einen alten Grundsatz: Ein erstklassiger Chef umgibt sich nur mit erstklassigen Mitarbeitern. Wer bloß zweitklassig ist, umgibt sich dagegen lieber mit drittklassigen Mitarbeitern, damit er glänzen kann. Ich habe bei allen Sendern immer wieder Programmchefs kennengelernt, die aus Butter geschnitzt waren. Wenn’s zu heiß wird, zerfließt so jemand förmlich. Diese Menschen haben keinen Charakter und kein Charisma, aber Angst um ihren Job, weil sie wissen, dass ihr Arbeitsplatz ein Schleudersitz ist. Also machen sie ein Programm, das gefällig ist und möglichst wenig kostet. Auf diese Weise entsteht ein Niveau, das ich erschütternd finde.
Warum lassen sich Zuschauer das gefallen?
Das frage ich mich auch. Die Sender sagen gern: „Das Publikum will das so.“ Das glaube ich nicht. Das Fernsehprogramm entspricht meiner Ansicht nach nicht den Vorlieben der Zuschauer, sondern dem schlechten Geschmack der Redakteure.
Wohin wird diese Entwicklung führen?
Irgendwann wird es nur noch Kochsendungen geben. Für den Fernsehfilm ist jedenfalls keine Besserung in Sicht. Es ist kein Wunder, dass so viele junge Menschen nur noch amerikanische Serien anschauen. Im Vergleich zu den Literaten, die dort die Drehbücher verfassen, sind unsere Autoren überwiegend Gebrauchsschreiber.
In Ihren Filmen haben Sie jahrzehntelang erst junge und später dann reife Liebhaber verkörpert. Hat Sie Ihr Image nie geärgert?
Doch. Ich habe vierzig Jahre lang auf den besten deutschsprachigen Bühnen dramatische Rollen gespielt, aber wenn man beim Film in ein bestimmtes Fahrwasser kommt, ist man auf einen Typus festgelegt. Ich hätte früher öfter Nein sagen sollen.