Wirtschaftsminister Rösler spricht im StZ-Interview über die Krise der FDP - und schließt Eurobonds ebenso aus wie eine Transaktionssteuer im Euroraum.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Der Hoffnungsträger der FDP schließt Eurobonds ebenso kategorisch aus wie eine Transaktionssteuer im Euroraum. Außerdem soll die Union im Streit über Zuwanderung klein beigeben. Die FDP ermahnt er, nicht über einen Koalitionsbruch zu philosophieren.

 

"Ohne Fortune" oder: "Der Glanzlose" - so lauten die Schlagzeilen zu Ihren ersten 100 Tagen als FDP-Vorsitzender und Wirtschaftsminister. Haben Sie sich den Start so schwer vorgestellt?

Ich sehe das gelassen. Dass wir uns in einer schwierigen Situation befinden, ist offensichtlich. Als ich im Mai zum Parteichef gewählt wurde, war mir klar, dass es einige Zeit dauern wird, um aus dieser Krise heraus zu kommen. Ich habe mich deshalb auf eine Art Marathonlauf eingestellt, bei dem wir jetzt erst die ersten Kilometer hinter uns haben. Mir geht es um die Zielankunft. Jeder weiß, wie rasch es geht, Vertrauen zu enttäuschen. Umso langwieriger ist es dann, neues Vertrauen wieder aufzubauen. Ich kann die besseren Zeiten auch kaum erwarten. Aber aus dieser Lage kommen wir nur heraus, wenn wir seriös arbeiten und Geduld aufbringen.

Ihnen war wichtig, das Wirtschaftsministerium zu führen. Die XXL-Aufschwungzeiten gehen jetzt aber zu Ende. Das macht Ihnen die Arbeit auch nicht leichter...

Richtig ist, dass das Wachstum eine Pause macht. Umso wichtiger ist es, gerade jetzt das Wachstum zu verstetigen. Wachstum ist die Basis für den Wohlstand in unserer Gesellschaft. Damit es weiter aufwärts geht, brauchen wir weitere Reformen.

Werden die Zeiten jetzt rauer oder ist das nur ein Zwischentief?

Wir haben erwartet, dass sich das Wachstum abschwächt. Im Frühjahr hat die Bundesregierung ein Wachstum von 2,6 Prozent für das laufende Jahr prognostiziert. Ich bin sicher, dass wir am Jahresende ein Wachstum erreichen, das deutlich macht, wie stark die deutsche Wirtschaft ist. Gleichwohl unterstreichen die aktuellen Daten, wie wichtig weitere politische Maßnahmen sind, die das Wachstum stützen. Eine der Hauptaufgaben ist es, dass wir uns um den Fachkräftemangel in vielen Unternehmen kümmern. Uns fehlen in Deutschland über 150000 Fachkräfte allein in den technischen Berufen. Das zeigt, dass wir Nachholbedarf haben. Gerade auch Mittelständler sind betroffen. Von ihnen höre ich immer wieder die Erwartung, dass wir handeln. Beim Fachkräftemangel müssen wir auch über eine erleichterte Zuwanderung sprechen. Leider sind wir hier immer noch nicht zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen. Deutschland braucht mehr qualifizierte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Bei der Zuwanderung erwarte ich von der Union Bewegung.

Wird das Wirtschaftsministerium überflüssig, wenn die Weichen künftiger Wirtschaftspolitik künftig in Brüssel oder in EU-Räten gestellt werden?

Die deutsche Wirtschaftspolitik wird auch künftig vom deutschen Wirtschaftsminister bestimmt. Abgesehen davon ist es durchaus sinnvoll, die Wirtschafts- und Finanzpolitik besser zu koordinieren. Da ist europaweit noch einiges zu tun, etwa beim Binnenmarkt für Dienstleistungen oder bei der Entbürokratisierung. Aber ich lege auch Wert darauf, die deutschen Besonderheiten zu beachten. Unsere einzigartige Exportstärke muss gewahrt bleiben. Außerdem gibt es bei uns einen Grundkonsens. Egal, wer in Deutschland Wirtschaftsminister war und wer immer mir irgendwann nachfolgt: Das Fundament unseres Handelns ist die Soziale Marktwirtschaft. Das unterscheidet uns von anderen. Die französische Wirtschaftspolitik zum Beispiel orientiert sich stärker an staatlichen Vorgaben. Deshalb muss man sich jetzt zunächst einmal auf die Grundlagen einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik verständigen. Das ist der Grund, warum ich mich erfolgreich für eine Stabilitätsunion mit Schuldenbremsen und einer regelmäßigen Überprüfung der Wettbewerbsfähigkeit in den Euroländern eingesetzt habe.

Wenn sich ein Grundkonsens in Sachen Stabilität herstellen ließe, wäre dann die Voraussetzung für Eurobonds erfüllt? So ähnlich hat das ja Finanzminister Schäuble definiert. Sehen Sie das genauso?

Die Bundesregierung hat sich eindeutig gegen Eurobonds ausgesprochen. Allerdings sehe ich mit Sorge, dass in Teilen der Union anders gedacht wird. Die FDP jedenfalls wird nicht akzeptieren, dass deutsche Steuerzahler für die Schulden anderer Länder aufkommen. Mit Eurobonds hätten schwache Länder keine Anreize mehr, ihre Staatsfinanzen zu sanieren, eine Schuldenbremse in ihre Verfassung aufzunehmen und für eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen. Die Lasten und die Risiken müsste Deutschland in Form höherer Zinsen tragen. Es kämen Kosten in Milliardenhöhe auf uns zu. Das ist für Deutschland nicht akzeptabel.

Eurozone nicht benachteiligen

 Ihr Nein zu Eurobonds ist kategorisch? Sie würden eher die Koalition platzen lassen, als Eurobonds zu akzeptieren?

Die Haltung der Bundesregierung ist eindeutig und geschlossen. Richtig ist: Die FDP hat eine klare Haltung. Wir stehen dafür, dass es mit dieser Koalition keine Eurobonds gibt. Die Menschen hätten auch kein Verständnis dafür, wenn sie die Zeche für die Schulden anderer zahlen müssten.

Die FDP ist der Garant, dass keine europapolitischen Sünden begangen werden?

Das ist so. Wir sind gegen Eurobonds, ohne Wenn und Aber, ohne Zwischentöne.

Ist die angestrebte Transaktionssteuer nach Ihrem Geschmack?

Unsere Zustimmung zu einer Transaktionssteuer gibt es, wenn überhaupt, nur dann, wenn diese in allen 27 EU-Ländern erhoben wird. Die Eurozone darf gegenüber den anderen EU-Partnern nicht benachteiligt werden.

Deshalb wird Großbritannien wohl nie zustimmen. Ist die Finanztransaktionssteuer damit nicht schon tot?

Zumindest ist die Frage berechtigt, wie groß das Interesse Großbritanniens sein wird, den Euro zu retten, wenn die eigene Währung das Pfund ist. Warum sollte sich also London eine solche Steuer aufbürden? Gleichwohl ist es jetzt die Aufgabe der Finanzminister, eine solche Steuer für alle 27 EU-Länder zu entwickeln. Und an dieser Aufgabe wird man sie auch messen.

Fallen Sie Herrn Schäuble damit nicht in den Rücken, denn er will eine solche Steuer notfalls auch nur in der Eurozone einführen?

Ihre Frage zeigt, wie wichtig ein Wirtschaftsminister mit liberalem Parteibuch ist, wenn es um Standorte und Arbeitsplätze in Deutschland geht.

Schuldenbremse für alle Eurostaaten

 Ist das Nein der FDP zur Steuer im Euroraum unumstößlich?

Ja, aber es gibt hier im Übrigen auch keine Meinungsverschiedenheit mit der Bundeskanzlerin.

Europa erlebt eine Vertrauenskrise. Wäre es da nicht wichtiger, die Haushalte zu sanieren, statt Steuersenkungen zu versprechen?

Es war meine Forderung, in allen Eurostaaten eine Schuldenbremse zu verankern. Und genau das haben Deutschland und Frankreich jetzt vereinbart. Das zeigt, welchen Stellenwert die Haushaltssanierung für uns Liberale hat. Außerdem haben wir immer gesagt, dass unser Wachstum beides ermöglicht: Haushaltskonsolidierung und Entlastung. Wir haben vereinbart, vorhandene Spielräume zu nutzen, um die Lohnzusatzkosten zu senken und jene zu entlasten, die das Wachstum erarbeitet haben. Das ist auch ökonomisch vernünftig, weil wir damit die Kaufkraft im Inland stärken und das Wachstum verstetigen.

In der FDP gibt es manche, die so frustriert sind, dass sie mit dem Bruch der Koalition liebäugeln. Haben Sie dafür Verständnis?

Ich habe mit dieser Koalition gute Erfahrungen gemacht. Es hat sich - und das wurde auch Zeit - ein kooperatives Verhältnis entwickelt bei allen, die Verantwortung haben. Und ich trage Sorge dafür als Parteivorsitzender, dass wir auch als Partei dieser Verantwortung gerecht werden. Es ist nicht unsere Aufgabe, über Ausstiegsszenarien zu philosophieren. Wir haben wahrlich anspruchsvolle Probleme anzupacken und zu lösen. Darauf konzentriert sich meine Partei, und dann wird sie auch erfolgreich sein.