Was bedeutet die Schließung eines Karstadt-Warenhauses für Ravensburger?
Das wäre in der Tat eine Besorgnis erregende Entwicklung für uns. Warenhäuser machen einen wichtigen Teil unseres Umsatzes aus. Wichtiger als dieser Anteil ist allerdings die Marketingfunktion der Kaufhäuser. Wo erleben Sie denn in den großen Fußgängerzonen noch Spielwaren, wenn nicht in den Warenhäusern?
Welchen Anteil hat Online?
Das ist schwer zu messen, weil wir oft nicht wissen, ob ein Händler die von uns gelieferte Ware im Laden oder über das Internet verkauft. Aber wir schätzen den Anteil ungefähr auf 25 Prozent. Er wächst weiter.
Lego und Playmobil haben bereits eigene Läden eröffnet. Wann zieht Ravensburger nach?
Das Thema wird bei uns diskutiert, ist aber noch nicht entschieden.
Wie müsste ein eigenes Geschäft aussehen?
Falls es so käme, bräuchten wir ein Store-Konzept, das Vorteile gegenüber Online und dem stationären Handel hätte. Und ich glaube, da gibt es etwas. Online-Händler können vieles, aber anfassen und ausprobieren kann der Kunde die Waren nicht. Und der stationäre Handel könnte hier ansetzen.
Was wünschen Sie sich von den Händlern?
Es geht um ganz einfache Dinge. Wenn Sie in der Vorweihnachtszeit in eine Spielwarenhandlung gehen, gibt es da meist zu wenig Personal, das Sie berät und ihnen etwas erklärt. Doch Ravensburger hat viele erklärungsbedürftige Produkte. Unsere Spiele müssen aufgestellt und vorgeführt werden. Wenn ich dagegen in der Adventszeit in New York in das Spielwarenkaufhaus FAO Schwarz gehe, ist das ein Erlebnis: Überall werden Produkte inszeniert, überall wird gespielt und werden die Kunden einbezogen. Das ist im Grunde ein Märchenland; da kannst du gar nicht rausgehen, ohne irgendwas gekauft zu haben.
Sie haben Ihre Position auf dem US-Markt zuletzt durch den Zukauf des Start-up-Unternehmens Wonder Forge in Seattle gestärkt. Wie entwickelt sich diese Kooperation?
Fantastisch. Wonder Forge bringt die Kenntnis um den amerikanischen Markt und seine Konsumenten mit. Sie entwickeln Spiele, die in den USA funktionieren. Das hier zu tun, wäre sehr schwer. Zum Teil werden die Produkte ins Verkaufsregal hineinentwickelt. Sie reden mit den großen Händlern wie Walmart oder Target und fragen deren Vorstellungen und Bedarf ab.
Wie unterscheiden sich diese Produkte denn von den hier entwickelten?
Zum einen haben sie fast alle eine Lizenz – typischerweise die Umsetzung mit einer bekannten TV-Figur. Ohne Lizenzen geht in den USA, aber zum Beispiel auch in Großbritannien oder Italien kaum etwas. In Deutschland hingegen wird ein Produkt mit Lizenz eher argwöhnisch betrachtet. Als amerikanisches Unternehmen hat Wonder Forge Zugang zu amerikanischen Lizenzgebern wie zum Beispiel Disney, an die wir von Europa aus nicht so leicht herankommen. Außerdem werden in den USA den Spielen oft haptische Spielfiguren beigefügt, um den Spielwert zu erhöhen.
Wie sieht es in anderen Ländern aus?
Bis vor etwa zwei Jahren haben wir uns vor allem auf den westeuropäischen Markt und die USA konzentriert. Mittlerweile gehen wir auch darüber hinaus. Wir schauen uns Spielwarenmärkte in Asien an und expandieren in Russland, wo wir allerdings gerade mit der Schwäche des Rubels zu kämpfen haben. Mir ist vor allem wichtig, dass wir gesund wachsen. Über die letzten zehn Jahre haben wir unseren Umsatz von 250 auf 360 Millionen Euro gesteigert.
Welche Erwartungen haben Sie für das bevorstehende Weihnachtsgeschäft?
Ich bin optimistisch. Selbst in der Finanzkrise war der Spielwarenmarkt stabil. Der Handel hat damals aus Vorsicht weniger geordert und war später zum Teil ausverkauft und musste nachbestellen. Ich bin auch überzeugt, dass die Eltern an Weihnachten bei den Kindern zuletzt sparen. Wer will schon gerne in leuchtende Kinderaugen schauen und beschließen, in diesem Jahr weniger Geschenke für die Kleinen unter den Weihnachtsbaum zu legen.
Sie sind nicht angespannt?
Früher war ich nervöser. Die wichtigste Zeit für uns sind nun mal die letzten Wochen vor Weihnachten. Die Kunden schieben ihre Weihnachtseinkäufe bis kurz vor Schluss.
Könnten ein starker Wintereinbruch oder ein Bahnstreik Ihnen einen Strich durch die Rechnung machen?
Klar brauchen wir das alles nicht. Aber Bahnstreiks sind für unsere Logistik nicht das Problem, und ein Wintereinbruch bringt die Kunden erst recht in die Spielwarengeschäfte, da gefühlt Weihnachten vor der Tür steht.
Würde Ihnen ein normales Weihnachtsgeschäft ein gutes Gesamtjahr bescheren?
Ja, wir könnten damit beim Umsatz leicht zulegen und unsere gute Profitabilität einigermaßen halten. Unsere Rendite lag nach Steuern zuletzt leicht unter dem zweistelligen Bereich. Das ist für jemanden, der in Europa produziert, ein sehr vernünftiges Ergebnis.

Persönlich
Karsten Schmidt, Jahrgang 1956, ist in Potsdam geboren, aber schon als Einjähriger mit seinen Eltern aus der DDR nach München geflohen, wo er sein Abitur machte und anschließend BWL in Rosenheim studierte. Schmidtist Vater von zwei Söhnen.

 

Karriere
Der Ravensburger-Chef hat mehr als 30 Jahre Erfahrung mit Markenartikeln. Beim US-Konsumgüterhersteller Procter&Gamble war er Produktmanager für Waschmittel und beim Tabakkonzern Philip Morris Deutschland-Geschäftsführer und parallel dazu Sprecher des Deutschen Zigarettenverbandes. 2002 wechselte er in den Vorstand des schwäbischen Familienunternehmens Ravensburger, wo er als Vorstandschef für den größten Geschäftsbereich Spiele, Puzzles, Beschäftigung verantwortlich ist.

Unternehmen
Der 1883 gegründete Spieleverlag machte zuletzt 359 Millionen Euro Umsatz und 33 Millionen Euro Gewinn. Damit ist Ravensburger der drittgrößte deutsche Spielzeughersteller nach Playmobil und Simba Dickie. Rund 1000 der 1700 Beschäftigten arbeiten am Bodensee.