Die Weltmarktpreise für Haselnüsse und Kakao belasten Ritter Sport. Geschäftsführer Andreas Ronken verrät, wie das Unternehmen aus Waldenbuch unabhängiger von Rohstofflieferanten werden will und was Kakao aus Nicaragua von afrikanischem unterscheidet.

Stuttgart - – Ritter Sport baut die Hauptzutat für seine Schokolade selbst an. Der neue Chef Andreas Ronken erklärt, worauf es dabei ankommt.

 
Herr Ronken, eine 100-Gramm-Tafel Ritter Sport kostet im Laden zwischen 69 und 99 Cent. Die Milch- und Zuckerpreise sind im Keller, auch Energie ist günstig. Dürfen sich die Kunden auf eine Preissenkung freuen?
Davon kann leider keine Rede sein. Zucker und auch Milchpulver spielen für uns eine eher untergeordnete Rolle. Unsere mit Abstand wichtigsten Rohstoffe und Hauptpreistreiber sind Kakaomasse und Haselnüsse, danach folgt Kakaobutter. Durch die große Missernte im vergangenen Jahr und die gestiegene weltweite Nachfrage ist der Haselnusspreis zuletzt explodiert. Der Marktpreis liegt heute bei 13 bis 14 Euro pro Kilo. Gekommen sind wir von acht Euro in 2013/2014. Wir haben ein sehr nusslastiges Sortiment und brauchen im Jahr etwa 5000 Tonnen Nüsse, die wir zu 80 Prozent aus der Türkei beziehen. Das bedeutet für uns Mehrkosten von 25 bis 30 Millionen Euro. Auch der Kakaopreis ist auf einem Vierjahreshoch.
Haben Sie sich deswegen entschlossen, mit einer eigenen Großplantage in Nicaragua selbst unter die Kakaobauern zu gehen?
Es war einer von drei Gründen: Zum einen wollen wir die Qualität des Kakaos von der Bohne weg beeinflussen. Zweitens hat unsere Plantage, El Cacao, Modellcharakter, in dem sie besuchbar ist. Wir wollen demonstrieren, dass man auch im großen Maßstab Kakao anbauen kann, und zwar nachhaltig, ohne Kinderarbeit und unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen. Dazu gehört auch unsere selbst entwickelte Erntemaschine, mit der wir die Früchte öffnen, die Kakaobohnen entnehmen und fermentieren können. Bisher müssen die Bauern jede einzelne Kakaofrucht erst mühsam mit der Machete öffnen – das werden einmal 60 Millionen Früchte pro Ernte sein. Das sind aus unserer Sicht keine humanen Arbeitsplätze, das gehört ins vorindustrielle Zeitalter. Drittens wollen wir uns natürlich auch den Rohstoff sichern. Wir sind bisher sehr abhängig von den stark schwankenden Kakaopreisen am Markt.
Woher kommen diese Schwankungen?
Kakao ist schon immer ein Spielball von Investoren und Spekulanten gewesen. Es ist der kleinste Agrar-Rohstoffmarkt, der an der Börse gehandelt wird. Der weltweite Markt für Kakao ist vor allem in der Hand von drei großen Verarbeitern: des Schweizers Barry Callebaut und der beiden US-Amerikaner Cargill und Archer Daniels Midland. Die letzten beiden haben gerade fusioniert, sodass rund 80 Prozent des weltweiten Kakaoproduktion künftig von zwei Konzernen kontrolliert werden. Sie kaufen den Kakao in kleineren Plantagen überall auf der Welt auf, der überwiegende Teil kommt aus Westafrika. Die Prozessketten sind dort bisher wenig transparent. Es ist kaum nachzuvollziehen, von welcher Plantage eine Lieferung kommt, manchmal noch nicht einmal die genaue Sorte.
Und doch sind sie selbst einer der Abnehmer.
Das werden wir auch noch eine ganze Weile bleiben, da wir unseren Jahresbedarf von 10 000 bis 12 000 Tonnen Kakaomasse anders nicht decken könnten. Aber wir wollen uns unabhängiger von den Großlieferanten machen. Spätestens ab 2025 verarbeiten wir rund ein Drittel eigenen Kakao; von der neuen Plantage, aber auch von den seit vielen Jahren bestehenden Kooperationen mit nicaraguanischen Kleinbauern, die wir weiter ausbauen.