„Stuttgart, das sind doch die mit Mercedes“: Vor seinem Konzert am Sonntag in Stuttgart spricht Robbie Williams im StZ- Interview über seine Musik, seine Kollegen und seine Familie.

Hannover - Hannover, vor zwei Wochen. Am Fußballstadion herrscht bereits Stunden vor dem Beginn des Konzerts von Robbie Williams jede Menge Gewusel und Trubel. In den Katakomben, vorbei an einigen immer grimmiger guckenden Sicherheitsleuten, herrscht aber plötzlich paradiesische Ruhe. Ort des Interviews ist ein gänzlich schmuckloser Lagerraum. Darin sitzt an einem Tisch Robbie Williams’ Assistentin sowie auf dem Fußboden ein Mann, dessen Funktion rätselhaft bleibt. Zum vereinbarten Zeitpunkt betritt Robbie Williams auf die Sekunde pünktlich den Raum – in abgeschnittenen Jogginghosen, einem gewagt bunten Hemd und dazu völlig unpassenden  nietenverzierten blauen Slippern. Im Schlepptau hat er ein Schoßhündchen, seine schauderhaften Tätowierungen sehen noch billiger aus als gedacht. Er ist, zweifelsohne, ein wandelndes Gesamtkunstwerk.

 
Herr Williams, verraten Sie uns, was das für ein Gefühl ist, wenn Sie eine Bühne betreten und auf fünfzigtausend Menschen gucken, die alle nur Ihretwegen gekommen sind?
Jede Tournee ist eine große Herausforderung, aber eine Stadiontour ist auch für mich noch mal etwas ganz Besonderes. Im Gegensatz zu den Konzerten mit Take That kommen die Menschen nur wegen mir, also trage ich auch die alleinige Verantwortung. Und es ist natürlich ganz schön überwältigend, wenn man da auf der Bühne steht und zu verstehen versucht, warum sich alles so entwickelt hat, wie es sich entwickelt hat. Man muss sich darauf mental sehr sorgfältig vorbereiten.
Haben Sie denn wenigstens noch Lampenfieber, wenn Sie auf die Bühne kommen?
Ehrlich gesagt, nicht mehr so sehr. Obwohl ich weitaus nervöser sein sollte.
Warum?
Bevor ich rausgehe, sage ich mir immer: Komm schon, es ist doch nur eine Show. Aber ich sollte das ernster nehmen. Und deshalb etwas nervöser sein.
Macht es für Sie einen Unterschied, ob Sie vor hundert oder fünfzigtausend Menschen auftreten?
Nein, eigentlich nicht. Oder . . . doch, das macht es. Ich habe schon einige Shows in Hallen gegeben. Und das waren zwar verdammt große Hallen, aber sie waren immer noch kleiner als Stadien. Etwas intimer, quasi (lacht). Da habe ich etwas weniger geschwitzt, so gesehen gibt es also einen Unterschied. Dazu kommt, dass die Bühnen in Stadien echt riesig sind. Dein Kreislauf arbeitet da auf Hochtouren.
Was ist der Unterschied zwischen einem Hallen- und einem Open-Air-Konzert?
Bei den Freiluftkonzerten kannst du die Menschen die meiste Zeit des Konzerts sehen. Das ist echt gruselig. (lacht) In der Halle ist es dunkel, und du kannst das kontrollieren. Die Show ist immer besser, wenn es dunkel ist. Denn das Showbusiness sieht unter Scheinwerfern immer besser aus.
Bei einer Großtournee wie Ihrer jetzigen kommt vermutlich auch noch eine Menge Reisestress dazu. Früher hatten Sie nach eigener Aussage darunter kräftig zu leiden. Ist das im Laufe der Zeit besser geworden?
Ja. In der Vergangenheit hatte ich oft Probleme, Schlaf zu finden. Das hat mich häufig zur Verzweiflung getrieben. Wenn man zwei Wochen lang nicht genug Schlaf gefunden hat, aber jeden zweiten Abend eine große Show hinlegen soll, kann man schon leicht verrückt werden. Aber jetzt habe ich erstmals meine Frau und meine kleine Tochter Theodora und unsere Hunde dabei. Das ist eine viel angenehmere Begleitung. Und eine weitaus gesündere.
Sind Sie jetzt ein echter Familienmensch?
Ja. Das kann man so sagen.
Ihr aktuelles Album heißt „Take the Crown“. Allen Unkenrufen zum Trotz, die Ihnen unterstellten, in einer Schaffenskrise wieder in den Schoß Ihrer Ex-Band Take That zurückkehren zu müssen, mit der Sie eine erfolgreiche Tournee hingelegt haben. Nun aber stehen Sie mit einer ausverkauften Stadioneuropatournee tatsächlich wieder als erfolgreichster Solokünstler der Welt da. Wunsch und Realität haben sich getroffen. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Das Ergebnis des Spiels Robbie Williams gegen den Rest des Showgeschäfts lautet: zwei zu null. (lacht) Nein, ernsthaft: ich habe für mich selbst verstanden, was die vermeintliche Pflicht bedeutet, als Musiker ein neues Album vor sich herzuschieben, mit dem man irgendwann fertig werden muss, ehe man damit dann auf eine Tournee geht. Ich habe gelernt, dass dazu mein Kopf, mein Körper und meine Seele reif sein müssen. Als die aktuelle Tour begonnen hat, kamen mir die üblichen Bedenken: vielleicht bin ich nicht so gut, wie ich sein sollte, oder vielleicht betrachtet mich das Publikum jetzt viel reservierter. Beides ist nicht passiert, und ich bin sehr froh, das sagen zu dürfen. Außerdem scheine ich ja der einzige Künstler auf diesem Planeten zu sein, der die wirklich großen Arenen ausverkauft. In diesem Sommer sind eine Menge großer Namen auf Tour, aber ihre Shows sind nicht komplett ausverkauft. Meine Tour schon. Das bedeutet mir sehr viel. Denn meine Geschichte hätte ja auch so gehen können: Oh, er muss jetzt wieder mit Take That weitermachen, weil seine Solokarriere im Eimer ist und so weiter – aber so kam es nicht. Ich habe diese Krone angenommen und bin sehr, sehr glücklich darüber.
Ihr Sängerkollege Mick Jagger, der jüngst seinen siebzigsten Geburtstag feierte, hat – als er in Ihrem Alter war – gesagt, er würde mit 45 Jahren garantiert nicht mehr auftreten. Wie sehen Sie das?
Oh ja, das Interview kenne ich. Ich kann verstehen, was damals in ihm vorging. Ich habe mich im Jahr 2006 tatsächlich mit dem Gedanken getragen aufzuhören. Aber so ist das halt: man weiß nie, wie es weitergeht. In erster Linie bedeutet das Showgeschäft pralles Leben. Und dieses Leben koste ich gerne aus.
Es ist also für Popstars unmöglich, in Rente zu gehen?
Unmöglich gewiss nicht. Aber ich denke immer nur ein paar kleine Schritte voraus. Mein Beruf ist ein „Lifetime-Game“. Und er fängt doch gerade erst an, mir richtig Spaß zu machen. Dieses Spiel ist idiotisch und seicht und lächerlich – aber gerade deshalb fantastisch. Junge, glaub’s mir: das Showbusiness ist echt klasse.