Offensichtlich sind alle Parteichefs nervös wegen der Landtagswahlen am 13.März. Wie sehr wird das Ergebnis für Sie persönlich zum Gradmesser als SPD-Vorsitzender?
Die Landtagswahlen werden Gradmesser für die politische Lage in den Ländern sein, vermutlich auch Gradmesser für die Stabilität oder Instabilität der demokratischen Mitte im Land. Aber wenn Landtagswahlergebnisse Gradmesser für Parteivorsitzende wären, hätte Frau Merkel seit 2009 schon x-mal zurücktreten müssen.
Und wenn die SPD in Sachsen-Anhalt oder Baden-Württemberg hinter der AfD landet?
Das wird sie nicht.
Trifft es Sie nicht ins Mark, wenn eine rechtspopulistische Partei bei uns Fuß fasst?
Ja sicher. Aber was folgt daraus? Daraus folgt, dass wir uns noch stärker als bisher um die politische Mitte in unserem Land kümmern müssen.
Was haben Sie der AfD entgegenzusetzen?
Ich glaube nicht, dass der sich entwickelnde Rechtspopulismus allein das Thema Flüchtlinge zum Hintergrund hat. Dieses Thema wirkt eher als Katalysator. Die Distanz zu Parteien, die Verachtung von Politikern, der Zynismus gegenüber unserer Demokratie – das alles ist doch viel älter.
Und es sind Phänomene, für die vor allem die Politik verantwortlich ist.
Ja, auch die Politik hat Fehler gemacht. Ohne Zweifel. Wir führen seit Jahren Elitendialoge über Europa, die Globalisierung, die Probleme von Banken. Aber im Alltag der Menschen kommt an, dass die Straße nicht repariert, die Schule nicht saniert und das Rentenniveau abgesenkt wird. So konnte der Eindruck entstehen, dass jeder erst mal an sich selbst denken muss. Daraus entsteht kein Gemeinschaftsgefühl, sondern Vereinzelung. Auf der anderen Seite muss ich auch sagen, dass für die demokratische Stabilität eines Landes nicht immer nur auf die Politik gezeigt werden kann.
Auf wen dann?
Jede Bürgerin und jeder Bürger trägt auch selbst Verantwortung. Mindestens am Wahltag. Demokratie kennt keinen Schaukelstuhl und ist etwas anderes als die Zuschauertribüne beim Fußball, wo man halt Buh ruft und heimfährt, wenn einem was nicht passt. Mitmachen, engagieren und vor allem die Suche nach tragfähigen Kompromissen gehört zum Wesen unseres politischen Systems. Demokratie ist auch nicht das Versprechen auf Fehlerfreiheit, sondern darauf, Fehler gewaltfrei korrigieren zu können. Ein realistisches Bild der parlamentarischen Demokratie zu entwickeln, ist nicht nur eine Aufgabe von Politikern und Parteien. Medien zum Beispiel tragen dafür auch viel Verantwortung.
Halten Sie einen Populisten wie Donald Trump, der sich in den USA als Gegner des politischen Establishments inszeniert, auch in Deutschland für möglich?
Dieses Gefühl von „Die da oben, wir hier unten“ gibt es auch in Deutschland. Wir müssen wieder mehr Verbindendes suchen und den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken. Wir zahlen jetzt auch den Preis für 25 Jahre Verzicht der Pflege des Gemeinwohls zu Gunsten der Idee „Jeder ist seines Glückes Schmied“.
Dürfen wir daran erinnern, dass die SPD 13 der letzten 25 Jahre in der Bundesregierung war?
Das stimmt. Und wie gesagt: auch wir haben nicht immer alles richtig gemacht. Deshalb tun wir gerade in den letzten zwei Jahren sehr viel dafür, den sozialen Zusammenhalt zu stärken.