Die Feindschaft gegenüber Institutionen spiegele sich in der Kritik an der Kirche, meint die ehemalige Sozialministerin des Landes, Monika Stolz. Seit mehreren Jahren gehört sie dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken an.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)
Frau Stolz, wie ernst ist die Lage der katholischen Kirche?
Ernst ist der falsche Ausdruck. Wir haben eine Gesellschaft, die sich verändert, die in den letzten Jahren etwas religionsloser geworden ist. Noch leben in der Bundesrepublik allerdings 48 Millionen Christen. Die katholische Kirche muss in dieser Zeit auch Veränderungen wagen, sich auf die Umbrüche der Zeit einstellen. Das mag manchmal schmerzhaft sein, doch die Kirche wird diese Aufgaben bewältigen.
Manche sagen, die Krise der katholischen Kirche sei jetzt tiefer als beim Bekanntwerden der Missbrauchsfälle.
Diese Sicht teile ich nicht. Vielmehr begreife ich die Schwierigkeiten in einem Gesamtzusammenhang. Wir leben in einer Zeit, die einerseits geprägt ist von einer gewissen Institutionenfeindlichkeit und einer gewissen Respektlosigkeit. Anderseits kommen durch Transparenz und Kommunikation Dinge ans Licht, die Empörung hervorrufen, und zwar nicht nur bei der Kirche. Ich denke da zum Beispiel auch an meine Ärztezunft, wo durch den Skandal um die Organspenden ein riesiger Vertrauensverlust ausgelöst wurde. Ich denke auch daran, wie man mit Politikern umgeht, wenn vom Fehlverhalten Einzelner zu rasch auf alle anderen geschlossen wird. In diesem Umfeld muss sich die katholische Kirche behaupten.
Ist die Öffentlichkeit denn respektlos mit dem Limburger Bischof umgegangen?
Tatsächlich geht es hier um persönliches Fehlverhalten. Franz-Peter Tebartz-van Elst hat erwiesenermaßen gelogen, was sich für einen Bischof verbietet. Inwiefern er zudem Verschwendung zu verantworten hat, muss noch geklärt werden. Da bin ich gegen Vorverurteilungen. Die Institution Kirche nimmt durch dieses persönliche Fehlverhalten Schaden. Natürlich muss sie selbstkritisch fragen, in wie weit ihre Strukturen zu solchen Fehlern beigetragen haben und was zu ändern ist. Andererseits machen Menschen überall Fehler.
Welche Rolle kann das ZdK spielen, die Kirche für die Zukunft auszurichten?
Das ZdK ist eine Vereinigung sehr engagierter Katholiken, die etwas verändern wollen. Sie können im Gespräch mit den Bischöfen und durch ihre Arbeit an der Basis zu Reformen beitragen.
Muss der Einfluss der Laien in der Kirche wachsen, um etwa Missstände wie bei Tebartz-van Elst zu verhindern?
Ich weiß nicht, ob und inwiefern die Kontrolle in Limburg nicht funktioniert hat. Sicher ist, dass die Veränderung der Kirche von unten, von der Basis – von den Laien, aber auch von den Priestern vor Ort kommen muss.
Dann brauchen die aber eine hohe Frustrationsbereitschaft angesichts des Reformstaus – etwa beim Weiheamt für Frauen.
Solche Veränderungen sind in einer Institution, die ihr Recht und ihre Organisation über zwei Jahrtausende hinweg entwickelt hat, schwer zu erreichen. Wir bleiben aber dran. Ich gebe den Kampf um das Diakonat der Frauen noch nicht verloren, auch wenn ich bezweifle, dies in meiner aktiven Zeit zu erleben. Wir sollten aber aufpassen, dass wir uns nicht auf Themen kaprizieren, die vielleicht gar nicht die zentralen Fragen der Gläubigen vor Ort sind. Mit dem Diakonat der Frau wischen wir die Probleme von Akzeptanz und Gläubigkeit nicht vom Tisch.
Ist eine zentrale Frage vor Ort die Zulassung Wiederverheirateter zur Eucharistie?
Das ist sicher eine Frage der ganz konkreten Seelsorge in den Gemeinden. Dass der neue Papst in diesem Zusammenhang für eine barmherzige Kirche plädiert hat, stimmt mich hoffnungsvoll. Nun lässt er die Gemeinden zu diesem Problemkreis befragen. Das ist mutig, weil damit Handlungsdruck aufgebaut wird und Erwartungen geweckt werden. Lassen wir dem Papst die Zeit, dieses Problem zu lösen.