Der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn hält es für möglich, dass in den kommenden acht Jahren jeweils 1800 neue Wohnungen in der Landeshauptstadt entstehen. Dennoch glaubt er, dass die Immobilienpreise noch steigen werden.

Stuttgart - Angesichts starker Zuwanderung droht der ohnehin schon leer gefegte Wohnungsmarkt noch umkämpfter zu werden. Im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung erklärt OB Fritz Kuhn, dass ein Koordinator künftig als Schnittstelle zwischen Stadt und Bauwirtschaft vermitteln soll. Neue Wohnungen sollen so zumindest schneller gebaut werden.
Herr Kuhn, der Vorsitzende des Regionalverbands, Thomas Bopp (CDU), rechnet damit, dass die Region in den kommenden Jahren um rund 100 000 Einwohner wachsen wird. Wo sollen all diese Menschen wohnen?
Klar ist, dass die Region an Einwohnern gewinnen wird. Ob es sich aber um 100 000 oder um noch mehr Menschen handeln wird, das weiß heute niemand. Es geht dabei allerdings nicht allein um das Thema Wohnen, sondern um das Zusammenspiel aus Wohnen, Arbeiten und Mobilität.
Was meinen Sie damit?
Es ist ja grundsätzlich richtig, dort Wohnungen zu planen, wo es etwa einen S-Bahn-Anschluss gibt. Aber wenn wir Wohnungsbau als ein regionales Thema ansehen, müssen sich alle Beteiligten verständigen, wie viele sozial geförderte Wohnungen auch außerhalb von Stuttgart entstehen sollen. Wenn ich mich aber mit den anderen Bürgermeistern der Region unterhalte, habe ich bisweilen den Eindruck, dass sozialer Wohnungsbau als ein Thema allein von Stuttgart gesehen wird. Die meisten Kommunen haben nicht den Anspruch, geförderte Wohnungen zu bauen.
Ist das die Forderung, in der gesamten Region feste Quoten für geförderte Wohnungen festzulegen?
Das kann man nicht erzwingen.
Zumal dann nicht, wenn man beim sozialen Wohnungsbau selbst noch bei null steht.
Im Jahr 2014 wurden nur deshalb keine Anträge für den Bau von Sozialwohnungen gestellt, weil das Förderprogramm des Landes für 2015 deutlich aufgestockt und attraktiver wurde. In diesem Jahr werden wir eine Zahl von rund 150 Förderanträgen erreichen, im Jahr 2016 werden es etwa 280 sein. Und das will ich mir ausdrücklich als Erfolg zurechnen. Nach einer langen Durststrecke wächst der soziale Wohnungsbau in Stuttgart wieder. Wir sehen auch, dass unser Innenentwicklungsmodell Früchte trägt.
Wäre es nicht hilfreich, die Fördermittel für den Bau subventionierter Wohnungen zu erhöhen, wie es etwa Städte wie München oder Wien getan haben?
Beim Bau von Sozialwohnungen ist der begrenzende Faktor nicht das Geld. Der begrenzende Faktor ist die Zeit, die vergeht, bis wir die geplanten Wohnprojekte tatsächlich auf die Baustelle bringen.
Was wollen Sie tun, damit Menschen früher in eine neue Wohnung einziehen können?
Ich werde im kommenden Doppelhaushalt die Mittel für einen Wohnbaukoordinator beantragen.
Welche Aufgaben wird der haben?
Ich will ihn als Stabsstelle bei mir ansiedeln. Er soll sich um die Beschleunigung von Verfahren kümmern. Ich schaffe also eine Schnittstelle zwischen Verwaltung und Bauwirtschaft. Es geht beispielsweise darum, den Architekten bei den Anträgen für das Baurechtsamt zu helfen und somit unnötige Fehler und langwierige Genehmigungsverfahren zu vermeiden.
Wird sich dieser Koordinator dann auch um die regionale Zusammenarbeit in Sachen Wohnungsbau kümmern?
Nein, das bleibt meine Aufgabe als Oberbürgermeister. Dazu werde ich den Regionalverband sowie die Bürgermeister vor Ort einbeziehen. Da es nun mal verschiedene Zuständigkeiten gibt, müssen wir kooperieren. Es muss uns gelingen, das Einzelkämpfertum zurückzudrängen.
Doch abgesehen vom gut gemeinten Appell haben Sie doch keine Möglichkeit, damit die Bürgermeister in der Region beim sozialen Wohnungsbau Verantwortung übernehmen.
Ein Appell ist aber viel wert, denn meine Amtskollegen haben in ihren Gremien und in ihrer Stadtöffentlichkeit dieselben Themen wie ich und spüren den Druck. Deshalb sind der Appell und der Dialog keine stumpfen Schwerter.