Der Südwestmetall-Chef Rainer Dulger hofft in der Tarifrunde auf eine ähnliche Verständigung mit der IG Metall wie in der Krise vor drei Jahren.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Metalltarifrunde 2012 wirft ihre Schatten voraus. Im Frühjahr wird wieder über höhere Gehälter verhandelt. Geht es nach dem Vorsitzenden des Metallarbeitgeberverbandes, so sollten sich die Tarifparteien wie in der Krise im Dialog und ohne "Krawall" einigen.

 

Herr Dulger, schauen Sie eher optimistisch oder pessimistisch auf das nächste Jahr?

Ich bin ein optimistischer Mensch. Es ist nicht kleinzureden, dass sich die Konjunktur abschwächt. Deswegen brauchen wir aber keine neue Krise heraufzubeschwören. Wir haben alle von 2002 bis 2007 mit fünf bis sieben Prozent Wachstum gut gelebt. Von den gleichen Zahlen gehen wir in unserem Unternehmen auch für 2012 aus.

Die Stimmung sackt aber rasant ab. Investitionen werden zurückgehalten. Das wirkt wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Das wäre ein nicht unzutreffendes Bild. Ich kann nur davor warnen, die Krise herbeizureden. Es hat stets schwankende Konjunkturzyklen gegeben. Wir haben in den letzten Jahren gut gelernt, damit umzugehen.

Frustriert es Sie, dass die Realwirtschaft glänzend dasteht, die Banken- und Schuldenkrise sie aber nach unten ziehen könnte?

Frustration wäre die falsche Reaktion. Gerade wir als Verantwortliche in der Wirtschaft müssen unseren Beitrag dazu leisten, dass die Politik die richtigen Entscheidungen trifft.

Könnte es zu einer erneuten Kreditklemme für die Unternehmen kommen?

Liquidität ist gerade in Wachstumsphasen gefragt. Die Unternehmen haben da noch erhöhten Bedarf. Viele haben ganz gut aufgeholt, was sie in der Krise verloren hatten - anderen hat die kurze Zeit noch nicht gereicht. Wenn dann die Zinsen steigen, wäre das schlecht. Eine Kreditklemme würde unsere Industrie hart treffen.

Was sollte die Regierung nun tun?

Es wäre schädlich, wenn man jetzt einen Schuldenerlass ohne knallharte Bedingungen verspricht. Dann kommen sofort die Nächsten, die den Schuldenschnitt auch wollen: Spanien, Portugal, Italien. Wenn da keine wohldosierte Lösung gefunden wird, hätte es katastrophale Folgen. Und das Schlimme ist: Keiner überschaut es - keiner hat einen Plan in der Tasche.

Wie bewerten Sie das Krisenmanagement der Bundesregierung?

Die Kanzlerin macht das sehr gut. Sie ist eine der Wenigen, die noch eine klare Richtung vorgeben. Was die Regierung jedoch als Ganzes abliefert, ist nicht vertrauenerweckend. Es hinterlässt den Eindruck, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Es gibt zu verschiedenen Themen zwischen den Ministern höchst unterschiedliche Positionen.

Das hat man selten erlebt, dass eine Bundesregierung so viele abweichende Meinungen vertreten hat. Und was ich von Herrn Rösler halten soll - bei allem Respekt: Geballte wirtschaftliche Kompetenz kann ich hier nicht immer erkennen. Und dieser mangelnde Teamgeist: da geht man mit Ideen an die Öffentlichkeit, die noch nicht zu Ende gedacht sind, sondern populistisch herausposaunt werden.

Jetzt laufen auch noch die Konjunkturprogramme aus. Macht dies Probleme?

Die Bundesarbeitsministerin will die Kurzarbeiterregelung zum Ende des Jahres auslaufen lassen, obwohl es Zusagen der Bundesagentur für Arbeit für Großunternehmen gibt, die Regelung bis März 2012 - wie es gesetzlich geregelt ist - fortzuführen. Das gefällt uns gar nicht...

...der Gewerkschaft ebenso wenig.

Das ist ein ganz zentraler Punkt, dass wir in einer zukünftigen Krise die Befreiung von den Sozialabgaben bei der Kurzarbeit nicht mehr langwierig durch Parlamentsbeschluss herbeiführen müssen, sondern relativ schnell per Ministererlass. Wenn man sieht, was es gekostet hat und wie viel Beschäftigung es gesichert hat, ist es ein bewährtes Instrument. Die Signale an die Industrie halte ich für nicht gut. Es geht auch um Nachhaltigkeit und Zuverlässigkeit. Beides muss die Bundesregierung leisten.

Stattdessen schürt die Kanzlerin Erwartungen: Die Arbeitnehmer hätten zum Teil deutliche Lohneinbußen in der Krise hingenommen. Das dürfe in besseren Konjunkturzeiten nicht einfach vergessen werden.

Von deutlichen Lohneinbußen in der Krise kann in unserer Industrie keine Rede sein bei einer insgesamt fast siebenprozentigen Steigerung der Bruttoeinkommen von Ende 2008 bis heute. Dass der eine oder andere weniger gearbeitet hat, weil weniger Arbeit da war, mag sein. Aber dass deutlich weniger bezahlt wurde, stimmt nicht.

Besinnung auf Sachlichkeit

IG-Metall-Chef Huber stimmt seine Leute skeptisch auf die Tarifrunde ein. Bringt er die Mitglieder noch rechtzeitig von ihren Erwartungen an hohe Lohnanhebungen herunter?

Dafür ist es noch zu früh. Der Tarifvertrag gilt bis Ende März. Ich halte es aber für vernünftig und vorausschauend, dass Huber seine Mitglieder darauf einstellt, erst kurz vor Beginn der Tarifrunde über mögliche Forderungen nachzudenken.

Ist Huber der ideale Partner für Sie?

Ich halte ihn für einen realistischen und praxisbezogenen Menschen, der mit viel Sorge um die Industrie Entscheidungen trifft. 2008 stand er zunächst mit seiner Acht-Prozent-Forderung da, war aber in den Verhandlungen sehr besonnen. Was man in der Öffentlichkeit sagt und in den Verhandlungen tut, sind oft zwei verschiedene Dinge - dafür habe ich Verständnis.

Wäre eine Fortsetzung der Konsenspolitik wie in der Krise denkbar?

Die IG Metall sollte sich darauf besinnen, was uns beim letzten Mal geholfen hat: auf die Sachlichkeit, um eine schwierige Situation zu bewältigen. Warum sollte man in guten Zeiten davon abweichen? Mit mehr Dialog und weniger Krawall haben wir sehr gute Ergebnisse erreicht. Ich würde mir wünschen, dass es wieder so laufen könnte.

Glauben Sie, dass - sozusagen - der Geist der Krisenrunde noch weiterlebt?

In vielen Köpfen bestimmt. Die Frage ist, ob sich dafür noch eine Mehrheit findet.

Das kann sich schon im Vorfeld zeigen, wenn die IG Metall die unbefristete Übernahme der Auszubildenden durchsetzen will. Warum ist der Ton von Ihrer Seite da so scharf?

Weil die IG Metall hier einen Kampf vor dem Spiegel austrägt. Zunächst einmal verstehe ich den Sinn der Forderung in einem Land mit 2,7 bis 3,0 Prozent Jugendarbeitslosigkeit nicht - als wären die Straßen voller ausgebildeter Metallfacharbeiter ohne Beschäftigung. Zweitens hat unsere Industrie eine Übernahmequote von knapp 80 Prozent.

Die restlichen gut 20 Prozent bilden sich fort, beginnen ein Studium oder wechseln den Betrieb. Außerdem halte ich den Zwang zur Übernahme für gefährlich: 30 Prozent der Betriebe bilden über Bedarf aus. Die großen Unternehmen tun dies, weil sich die kleineren Betriebe - oft ihre Zulieferer - die Ausbildung nicht leisten können. Diese Lehrstellen würden schnell wegfallen, weil die Betriebe das Risiko hätten, alle Ausgebildeten weiterbeschäftigen zu müssen.

Die Ausbildung über Bedarf soll nicht gebremst werden.

Der Betriebsrat wünscht sich ein Vetorecht, falls ein junger Mensch nicht übernommen wird. Dann würde er die Guten, die draußen ohnehin eine Stelle finden, ziehen lassen - und die anderen nicht. Dann verliere ich meine Besten und muss die weniger Guten weiterbeschäftigen. Ich halte diese Forderung daher für einen Ausbildungskiller erster Güte.

Was hat die unbefristete Übernahme mit einer frühzeitigen Verbeamtung zu tun, von der der Gesamtmetall-Präsident spricht?

Die Übernahmegarantie soll bereits mit Abschluss des Lehrvertrags gegeben werden. Ich finde den Vergleich daher zutreffend.

Aber die Industrie muss doch schon aus Eigeninteresse alles ihr Mögliche tun, um für den Nachwuchs attraktiv zu bleiben?

Da gibt es viel bessere Dinge. Wir haben im Krisenpaket, aber auch in vielen Betrieben Rückkehrmodelle für junge Menschen vereinbart, die sich nach der Ausbildung weiterqualifizieren oder studieren. Das brauchen wir aber nicht in neue Tarifverträge zu gießen. Jedes Unternehmen muss sich selbst etwas überlegen, um die jungen Facharbeiter an sich zu binden.

Auch die Kampagne zur Leiharbeit setzt den Arbeitgebern offensichtlich zu?

Zustände wie bei Schlecker will auch bei uns keiner. Mit schwarzen Schafen müssen wir entsprechend hart ins Gericht gehen. Die Zeitarbeit, wie sie in ordentlichen Unternehmen gehandhabt wird, ist ein wesentliches Flexibilisierungsinstrument angesichts der schwankenden Konjunkturzyklen und ein unwahrscheinlicher Beschäftigungsmotor. Bis zu 40 Prozent der Zeitarbeitnehmer waren vorher Hartz-IV-Empfänger. 14 bis 17 Prozent gehen in dem Unternehmen in Festanstellung, das sie ausgeliehen hatte. Sie haben darüber hinaus einen weiteren Vermittlungseffekt von etwa 20 Prozent in anderen Unternehmen.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?

Ist es Missbrauch, wenn ein Betrieb seine Belegschaft zu mehr als 20 Prozent aus Zeitarbeitern rekrutiert?

Die Quote ist höchst unterschiedlich - und nicht das Entscheidende. Es gibt den einen oder anderen Betrieb mit deutlich mehr Zeitarbeitern. Deren betriebliche Abläufe erfordern dies einfach.

Die IG Metall verlangt vor allem mehr Mitsprache - was ist dagegen zu sagen?

Mitbestimmung ist grundsätzlich eine gute Sache, geht aber in die falsche Richtung. Wenn sie an dieser Stelle ausgeweitet wird, nehmen die Unternehmen die Zeitarbeit nicht mehr in dem Maße in Anspruch. Dann werden diese wenigen einfachen Arbeitsplätze in Deutschland verschwinden.

Es gibt eklatante Lohnunterschiede mit bis zu 770 Euro unter dem Metalltarif.

Das muss die IG Metall mit den Arbeitgebern der Zeitarbeit regeln. Dafür gibt es Tarifverträge mit dem Gewerkschaftsbund. Das passiert derzeit auch, was für uns heißt, dass die Zeitarbeit teurer wird.

Damit leiten Sie die Verantwortung für Mitarbeiter in Ihren Betrieben einfach weiter.

Der Zeitarbeiter hat einen Vertrag mit dem entleihenden Unternehmen. Ich kann doch nicht in die Arbeitsverhältnisse Dritter eingreifen.

Stört es nicht Ihr Gerechtigkeitsempfinden, wenn zwei dasselbe tun, aber völlig unterschiedlich bezahlt werden?

Nein, solange überschaubar bleibt, wie lange sie das tun. Das wird nicht über zwei Jahre so sein.

Der Slogan "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ist für Sie unsinnig?

Es vergeht eben eine gewisse Zeit, bis das Knowhow des Zeitarbeiters dem des Stammbeschäftigten gleichkommt.

Die IG Metall sucht bei beiden Themen eine Verständigung bis Ende Februar. Nach Ihren Worten gibt es gar nichts zu verhandeln.

Wir sind ständig im Dialog mit der IG Metall. Was ich auf keinen Fall möchte, ist, dass aus unseren regelmäßigen Gesprächen Verhandlungen gemacht werden. Denn dann gibt es Druck von der Straße.

Würde eine Kombination mit der Entgeltrunde das Konfliktpotenzial nicht steigern?

Nein. Möglicherweise haben wir bis dahin schon Lösungsansätze vorbereitet, zu denen ich dann meine Basis befragt habe.

Es gibt eine Lösung ohne Verhandlungen?

Mit einer Aussage dazu würde ich den Dialog mit der IG Metall einschränken. Das würde unserer Situation nicht guttun.

Der Familienunternehmer

Doppelrolle Seit Juli 2009 ist Rainer Dulger (47) Vorsitzender und Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbands Südwestmetall. Bereits 2001 führt der Heidelberger das vom Vater Victor Dulger gegründete Unternehmen Prominent Dosiertechnik mit seinem Bruder Andreas und zwei weiteren Geschäftsführern.

Prominent Der Hersteller von Dosierpumpen, Mess- und Regeltechnik hat weltweit 14 Produktionsbetriebe und 40 Vertriebstöchter. Beschäftigt werden 2200 Mitarbeiter, in Deutschland 550. In China produziert Prominent seit 1994. Für dieses Jahr erwartet Dulger einen Umsatz von 360 Millionen Euro.