Die Krimiautorin Thea Dorn hat das Drehbuch für den TV-Film „Männertreu“ geschrieben. Darin zeigt sie die Abgründe eines Machtmenschen. Warum ihre Hauptfigur weder auf politische Korrektheit bedacht ist noch zu Kreuze kriecht, verrät sie im StZ-Interview.

Stuttgart – - Thea Dorn schreibt Krimis, Theaterstücke, Sachbücher – und alle paar Jahre auch ein Drehbuch fürs Fernsehen. Am Mittwoch zeigt die ARD ihre Tragikomödie „Männertreu“ .
Frau Dorn, was muss zusammen kommen, damit es Sie reizt, ein Drehbuch zu schreiben?
Ich wünschte, ich könnte diese Frage beantworten. Ich wundere mich selbst immer, warum ein Stoff, der mich überfällt, gleich weiß, in welcher literarischen Gattung er von mir geschrieben werden will. Zur Zeit arbeite ich an einem Faust. Da war mir von Anfang an klar - das muss ein Roman werden. Im letzten Jahr habe ich Jesus und Prometheus einander begegnen lassen. Da wusste ich sofort – das wird ein Oratorium. Als sich mir vor zwei, drei Jahren die Geschichte eines einflussreichen älteren Mannes aufdrängte, dessen barockes Liebesleben mit seinen Ambitionen, ein hohes politisches Amt bekleiden zu wollen, kollidiert, fiel die Entscheidung, daraus ein Drehbuch zu machen, auch gleich zu Beginn. Wenn Sie so wollen, ist es eine sehr öffentliche Geschichte – vermutlich wollte ich sie deshalb im öffentlichsten Genre erzählen, das wir haben, eben im Fernsehfilm.
Horst Seehofer, François Hollande – es fallen einem eine ganze Menge Prominenter ein, wenn man ihr jüngstes Werk „Männertreu“ anschaut. Was erzählt uns der Film über private und öffentliche Moral?
Die Frage, welche Auswirkungen die wachsende politische Korrektheit auf unser politisches Personal hat, beschäftigt mich schon seit langem. Einerseits wird – gerade von den Medien – beklagt, dass es auf der großen Bühne keine echte Charaktere mit Kern und Kanten mehr gibt. Andererseits wird jeder, der es wagt, einen Lebensstil zu pflegen, der dem Mainstream anstößig erscheint, einer öffentlichen Hetzjagd ausgesetzt und letztlich dazu getrieben, am Ende reuevoll zu heucheln, in Wahrheit sei auch er ein Musterknabe, der aus Versehen vom Pfad der Tugend abgekommen ist. Ich wollte eine Figur schreiben, die nicht zu Kreuze kriecht, sondern sagt: Ich lebe, wie ich lebe, ich saufe, ich rauche, ich hure herum, wenn Euch das nicht passt, dann schaut, wie Ihr ohne mich auskommt.
War Ihnen beim Schreiben schon klar, dass die Rolle des Georg Sahl mit Matthias Brandt besetzt werden müsste? Und was bringt er als Darsteller aus ihrer Sicht mit?
Es würde mich eher blockieren, wenn ich versuchen wollte, eine Rolle einem bestimmten Schauspieler auf den Leib zu schreiben. Als der HR mir gesagt hat, dass sie die Hauptrolle mit Matthias Brandt besetzen wollen, war ich überrascht und entzückt zugleich. Überrascht, weil ich mir „meinen“ Georg Sahl deutlich älter vorgestellt hatte, einen Mann in den Siebzigern – und Matthias Brandt ist ja gerade mal Anfang Fünfzig. Entzückt, weil Matthias Brandt ein großartiger Schauspieler ist – und durch den Umstand, der Sohn von Willy Brandt zu sein, natürlich ein großes Vorverständnis für die Abgründe charismatischer Machtmenschen mitbringt.
Wie in jeder guten Geschichte geht es in Ihrem Drehbuch nicht um eindeutig Schuldige und Unschuldige. Wie haben Sie die Frauenfiguren entwickelt, die das Ganze durch ihr Mitspielen ja erst ermöglichen?
Die heimliche Hauptfigur des Films war für mich von Anfang an Franziska Sahl, also jene Frau, die selbst kein Mauerblümchen ist, sondern erfolgreiche Anwältin, und die es dennoch seit vier Jahrzehnten in größter Loyalität, vermutlich sogar Liebe, an der Seite ihres treulosen Gatten aushält. Und ich bin vollkommen hingerissen, wie Suzanne von Borsody diese Frau spielt, die in ihrem Stolz verletzt ist, deren Stolz es aber gerade nicht zulässt, dass sie diese Verletzung zugibt. Im Gegensatz zu den enttäuschten Geliebten ihres Mannes begreift sie: Ja, mein Mann ist ein Schwein. Aber wäre er’s nicht, wäre er nicht halb so faszinierend.
Ist Macht nach wie vor für viele Frauen ein Aphrodisiakum?
Ich fürchte: ja. Ich habe mich aber bewusst gegen einen rein politischen Machtmenschen entschieden und für einen Geistesmenschen, der ein brillanter Kopf ist. Zwar ist mir als Schriftstellerin nichts Zwischenmenschliches fremd, aber an der Aufgabe, plausibel zu erzählen, warum sich eine Frau in einen Blässling wie François Hollande verliebt, wäre ich vermutlich gescheitert. Oder ich hätte mich zu Tode gelangweilt dabei.