Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Die SPD hat ihre Großprojekte aus dem Koalitionsvertrag weitgehend durchgesetzt: Mindestlohn, Rente mit 63, EEG-Reform. Haben Sie Ihr Programm schon abgearbeitet?
Der Eindruck täuscht. Wir haben zwar schon viel erreicht, aber die meiste Arbeit noch vor uns. Nach der Sommerpause werden wir die Mietpreisbremse, die Frauenquote und die Bekämpfung der Altersarmut in Angriff nehmen. Auch eine deutliche Bafög-Erhöhung wird kommen. Und nicht zuletzt werden wir die Energiewende vorantreiben und durch marktwirtschaftliche Elemente dafür sorgen, dass Strom langfristig bezahlbar bleibt.
Trotz ihrer Erfolge gewinnt die SPD keine neuen Anhänger – ihre Umfragewerte stagnieren. Ist es Zeit, die Strategie der Partei zu überprüfen, wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil mahnt?
Zunächst war es eine richtige Strategie, nach der verlorenen Wahl auf der Grundlage eines gut verhandelten Vertrages eine Koalition zu bilden. Wir haben solide Reformen auf den Weg gebracht und gezeigt: Die SPD hält, was sie versprochen hat. Das Ganze passiert bei einem ausgeglichenen Haushalt, den wir im nächsten Jahr anstreben. Natürlich ist es auch richtig, das wirtschaftspolitische Profil der SPD weiter zu schärfen. Für uns ist völlig klar, dass soziale Gerechtigkeit und ein funktionierender Sozialstaat nur möglich sind mit einer starken, auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaft.
Sie bezeichnen die bisherige Strategie als richtig. Weil und SPD-Vize Schäfer-Gümbel fordern eine stärkere Profilierung in der Wirtschafts- und Bildungspolitik sowie eine breitere thematische Aufstellung – da gibt es doch offensichtlich einen Dissens?
Ich sehe da keinen Dissens. Die SPD will eine starke und wettbewerbsfähige Wirtschaft. Deshalb müssen wir stärker in Bildung und Infrastruktur investieren, aber auch darauf achten, dass die Produktionskosten am Standort Deutschland nicht aus dem Ruder laufen. Hier werden wir für ein wachstumsfreundliches Umfeld sorgen.
Die SPD hat gerade Reformen wie die Rente mit 63 durchgesetzt, die das Land gewiss nicht leistungsfähiger gemacht haben. Wenn Sie nun verstärkt für Wachstum sorgen wollen, ist das doch ein Kurswechsel.
Nein. Zunächst gab es Nachholbedarf bei Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Bei der Leiharbeit im Niedriglohnsektor war es beispielsweise zu schwerwiegenden Fehlentwicklungen gekommen. Das wird jetzt neu justiert.