Exklusiv Der SPD-Fraktionschef im Bundestag empfiehlt seiner Partei, ihr wirtschaftspolitisches Profil zu schärfen. Unternehmen sollen gestärkt, die Infrastruktur ausgebaut und die Bürger – zumindest langfristig – auch steuerlich entlastet werden.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Stuttgart- - Seit einem dreiviertel Jahr regiert in Berlin eine große Koalition. Die SPD hat in dieser Zeit bereits viele ihrer Wahlversprechen wie die Rente mit 63 eingelöst. Aber die Demoskopen registrieren für die Partei, die bei der Bundestagswahl 25,7 Prozent der Stimmen holte, nur schwach verbesserte Werte.
Herr Oppermann, mit den Worten „Jetzt langt es aber mal“, ruft CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder die Sozialdemokraten auf, Gesetzesprojekte der Union mit der gleichen Verve zu vertreten wie die eigenen. Aus der SPD-Spitze wird CSU-Chef Horst Seehofer aufgefordert, sich nicht wie ein „Rumpelstilzchen“ aufzuführen. Brechen in der großen Koalition ungemütliche Zeiten an?
Wir haben nach wie vor eine sehr gute Arbeitsatmosphäre innerhalb der Koalition. Wir haben den Willen zum Kompromiss wie die Fähigkeit, Entscheidungen herbeizuführen. Das unterscheidet uns von der Vorgängerregierung. Aber natürlich kommen wir jetzt in einen normaleren Regierungsalltag. Die Zeit der Durchmärsche wie bei Mindestlohn oder Rentenreform ist vorbei.
Gehört zu einer guten Arbeitsatmosphäre, dass Seehofer mit dem Ende der Koalition droht, falls die PKW-Maut nicht kommt?
Das würde ich jetzt nicht überbewerten.
Sollte man Seehofer generell nicht überbewerten?
Ich würde seine Äußerungen nicht überbewerten. Noch liegt kein konkreter Gesetzentwurf für die Einführung der Maut vor, und deswegen brauchen wir auch jetzt nicht nervös zu werden. Die Maut ist im Koalitionsvertrag vereinbart. Und wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind, wird diese Maut kommen.
Mit Seehofer liegt die SPD auch beim Thema Rüstungsexporte über Kreuz. Die neue Linie von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der deutlich weniger Exportgenehmigungen erteilen will als bisher, empfindet Bayern als Gefahr für die deutsche Rüstungsindustrie.
Die SPD will zurück zu den Grundsätzen für den Export von Rüstungsgütern, wie sie in der rot-grünen Regierung galten. Diese Grundsätze sind unter Schwarz-Gelb sehr weit ausgelegt worden. Das müssen wir jetzt korrigieren. Waffenlieferungen in Spannungsgebiete und in Diktaturen darf es nicht geben.
Dann fielen Länder wie Saudi-Arabien und Katar als Exportziele generell aus.
Das sind ganz sicher grenzwertige Fälle. Man muss immer genau prüfen, um welche Rüstungsgüter es sich im Einzelnen handelt und in welche Hände sie am Ende geraten. Heute hantieren diverse Terrorgruppen und Separatistenbewegungen mit deutschen Kleinwaffen. Auch zum Schutz unserer Soldaten müssen wir verhindern, dass eines Tages die Bundeswehr im Auslandseinsatz mit deutschen Waffen angegriffen wird.
Wie wollen Sie verhindern, dass diese neue Linie viele Arbeitsplätze kostet?
Das ist eine Frage, die wir sehr ernst nehmen. Im Rüstungsbereich im engeren Sinne arbeiten ungefähr 20 000 Menschen. Aber wenn man die ganze Zulieferindustrie dazu rechnet, sind es viel mehr. Deshalb müssen wir uns mit den Unternehmen wie den betroffenen Arbeitnehmern überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, von militärischen auf zivile Produkte umzustellen.