Der Kitastreik läuft. Der Präsident der kommunalen Arbeitgeber (VKA), Thomas Böhle, zeigt sich im StZ-Interview zum Spitzengespräch mit Verdi-Chef Bsirske bereit – aber nur ohne Vorbedingungen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Stuttgart – - Die Gewerkschaften wollen mit ihren Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst Lohnsteigerungen von durchschnittlich zehn Prozent durchsetzen. Die kommunalen Arbeitgeber sehen Handlungsbedarf nur für einen Teil der Beschäftigten. Eine pauschale Anhebung lehnt der Präsident der Arbeitgebervereinigung (VKA), Thomas Böhle, strikt ab.
Herr Böhle, nach der Bundesfamilienministerin hat jetzt der Wirtschaftsminister den Gewerkschaften den Rücken gestärkt – die Erzieherinnen würden nicht angemessen bezahlt. Haben Sie bald auch noch die Bundesregierung gegen sich?
Derlei Äußerungen auf Bundesebene haben eine längere Tradition. Die kommunalen Arbeitgeber nehmen sie mit Interesse zur Kenntnis. Aber das kann keinen Einfluss auf die Verhandlungsführung haben, weil es hier um zweierlei geht: um eine erhebliche Kostenbelastung und um das Tarifgefüge im öffentlichen Dienst. Bei einer pauschalen Aufwertung im Erziehungsdienst und der Sozialpädagogik käme es zu erheblichen Verwerfungen.
Auch die öffentliche Meinung ist ungünstig für Sie?
Es gibt große Sympathie für die Erzieherinnen. Das hängt mit gerechtfertigter Wertschätzung zusammen, aber oftmals auch mit Informationsdefiziten. Es ist eine Tatsache, dass Erzieherinnen sowohl im Tarifgefüge des öffentlichen Dienstes als auch im Vergleich zu anderen Trägern der am besten bezahlte Ausbildungsberuf sind. Insofern sehen wir keine Veranlassung zu pauschalen Erhöhungen. Vielen ist gar nicht klar, dass die Erzieherinnen wie alle anderen Beschäftigten der Kommunen in der Lohnrunde 2014 immerhin 5,7 Prozent mehr bekommen haben – davon erst jetzt im März 2,4 Prozent. Insofern beansprucht die Gewerkschaft hier einen Zuschlag.
So finden Sie, dass die Erzieherinnen in den Kitas angemessen bezahlt werden?
Das mag jeder selbst beurteilen. Viele Menschen sind aber überrascht, wie hoch die tatsächlichen Verdienste der Erzieher im Geltungsbereich des TVÖD (Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes) bei einer Vollzeitarbeit liegen: nämlich zwischen 2590 und 3750 Euro – im Leitungsbereich sogar bis zu 4750 Euro. Wenn die Gewerkschaft in ihrer Mitgliederzeitschrift von 1800 und 3100 Euro redet, ist dies schlicht falsch. Viele Bürger meinen auch, dass die fünfjährige Ausbildung ein Studium wäre. Aber das ist nicht der Fall. Da gibt es zwei Jahre Vorpraktikum, zwei Jahre auf der Fachakademie und ein Jahr Anerkennungspraktikum.
Demnach ist es nicht Zeit für den von Verdi geforderten Paradigmenwechsel?
Es gab den Paradigmenwechsel, wenn man so will, bereits 2009. Da wurden mit der spezifischen Eingruppierung der Beschäftigten deutliche Verbesserungen gegenüber allen vergleichbaren Ausbildungsberufen und Bachelor-Studiengängen erzielt.
Damals wurden Verschlechterungen egalisiert, die sich 2005 aus dem Wechsel der Tarifvertragssysteme ergeben hatten.
Für den Sozial- und Erziehungsdienst haben wir Verbesserungen vereinbart, die zum Teil weit über das alte Tarifrecht hinausgingen. Verdi hat das damals gefeiert. Bei den anderen Berufsgruppen ist das nicht passiert – hier schon. Und die Gewerkschaften sollten nicht so tun, als seien sie 2005 nicht dabei gewesen.
Sie haben nun einen Vorschlag mit nennenswerten Gehaltssprüngen gemacht – demnach sehen Sie sehr wohl Nachholbedarf?
Wir sehen dort Handlungsbedarf, wo sich in den letzten sechs Jahren deutliche Veränderungen ergeben haben – etwa auf den Feldern Inklusion, Integration und Sprachförderung. Bei sogenannten schwierigen fachlichen Tätigkeiten sehen wir Aufwertungspotenzial. Wenn in der Praxis neue Kompetenzen gefordert sind, sind wir zu höheren Eingruppierungen bereit. Ebenso halten wir Verbesserungen im Leitungsbereich der Kitas für richtig.
Wie würden die Kommunen die von Verdi geforderte Lohnsteigerung in Höhe von durchschnittlich zehn Prozent finanzieren?
Ein Ergebnis in der Nähe der Verdi-Forderung schließe ich aus. Das ist jetzt keine Verhandlungstaktik. Der Aufschwung ist in vielen Kommunen nicht angekommen. Diese leiden unter der Finanznot – nicht unbedingt Stuttgart und München. Aber in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland oder allen östlichen Bundesländern sind die Spielräume extrem eng.
Sind höhere Elternbeiträge zwangsläufig?
Das ist eine Frage der politischen Durchsetzbarkeit, zumal die Gebühren sozial gestaffelt sind. Man kann nicht diejenigen, die sich das nicht leisten können, mit Gebühren belasten. So müsste man auf die Besserverdienenden zugehen, wogegen ich persönlich gar nichts hätte. Doch dies entscheidet jede Kommune für sich. Wer nur annähernd die Lohnsteigerungen über Gebühren hereinholen will, ist schnell bei deren Verdopplung. Der Kostendeckungsgrad über Gebühren liegt in München bei 17,5 Prozent. In aller Regel beträgt er weniger als ein Fünftel.