In den neuesten Enthüllungen werden aber dezidiert Top-50-Spieler genannt, auch Grand-Slam-Champions.
Für mich sind das Einzelfälle. Die Probleme liegen bei kleineren Turnieren, bei Spielern aus der zweiten Reihe.
Warum bieten Sie als Wettunternehmen all diese Spiele von kleineren Turnieren im Programm eigentlich an, wenn das so schwer zu kontrollieren ist? Oder auch Wetten auf die Anzahl von Sätzen in einem Match?
Diese Wetten sind bei unseren ganz normalen, seriösen und anständigen Kunden sehr beliebt. Das sind Wetten, die schon eher Entertainment-Charakter haben, die weniger klassische Sportwetten sind. Viele Kunden mögen Livewetten, den Thrill in veränderten Match-Bewegungen. Sie wollen den Ausgang einer Wette nicht mehr bis zum Matchball abwarten, wie überall in unserer modernen Zeit geht auch bei uns alles schneller, dynamischer. Wir müssen das anbieten, sonst gehen die Kunden verloren. Die würden dann in den schwarzen Markt wandern, in komplett unregulierte Zonen.
Es würde nichts nützen, wenn Sie das nicht anbieten?
Nein. Die Mauscheleien würden noch größer. Denn alle regulären Wettanbieter melden ja Auffälligkeiten sofort etwa an die ATP weiter. Die informiert den Supervisor vor Ort, der wiederum den Schiedsrichter. Und der auch die Spieler. Wir setzen eine Alarmkette in Bewegung. Wären wir nicht mehr da als überwachende Instanz, als jemand, der diese Spiele beobachtet, dann wären die Probleme noch gravierender.
Was muss passieren, um noch effektiver gegen die Betrüger vorzugehen?
Wir dürfen unsere Kundendaten nicht an Privatunternehmen wie die ATP oder WTA weitergeben. Das ginge nur an eine internationale staatliche Autorität. Und das würde ich mir wünschen, so eine Instanz. Denn so bleibt das Paradox: Wir melden die Auffälligkeiten, aber die Betrüger bleiben ungeschoren. Diesen Kriminellen müssen wir das Handwerk legen – und zwar schnell.
Können Sie die Verdächtigen nicht sperren?
Natürlich tun wir das. Aber dann legen die sich mit krimineller Energie neue Identitäten zu. Wenn es eine staatliche Stelle gäbe, die auch Nachforschungen zu solchen Tätern betreiben würde, wäre der Betrug ungleich schwerer. Auch der Schwindel mit Identitäten. Man muss sich eingestehen, dass man den Sumpf nicht hundertprozentig austrocknen kann. Aber im Moment genießen die Betrüger teils Narrenfreiheit. Deshalb müssen Regierungen mit ins Boot.
Der Anti-Korruptionseinheit TIU wurde in der aktuellen Affäre vorgeworfen, Verdachtsfälle unterdrückt zu haben.
Das kann ich überhaupt nicht bestätigen. Die entscheidenden Leute in den Tennisorganisationen wissen, dass sie ein ernsthaftes Problem haben. Und dass sie es ernsthaft bekämpfen müssen. Nein, ich kann da keine Vertuschung oder Verharmlosung erkennen. Was zu Recht angemerkt wurde, auch von der ATP: Es ist brutal schwer, handfeste Beweise auf den Tisch zu legen.
Novak Djokovic und Andy Murray kritisieren, dass Turniere und Anbieter kooperieren.
Also, es hätte ganz sicher ein Geschmäckle, wenn Wettanbieter einen einzelnen Profi sponserten. Da würden ungute Verdächtigungen aufkommen. Ansonsten verstehe ich die Argumentation nicht: Wettunternehmen sind Opfer der Betrüger. Und sauberer, reeller Sport ist die Lebensgrundlage für uns. Deshalb stehen wir an der Seite von Spielern wie Djokovic oder Murray.