Die Sindelfinger Punkband Wizo meldet sich mit neuem Album, Tourterminen und starken Slogans zurück. Axel Kurth schimpft im Interview auf "AfD-Pfosten" und neu gewonnenes Selbstbewusstsein.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Seit bald dreißig Jahren machen Wizo eine Art politisierten Schmutzki-Punkrock für Erwachsene. Jetzt hat die Sindelfinger Band um den Sänger, Songeschreiber und Gitarristen Axel Kurth ein neues Album draußen, dessen Titel erst mit der dazugehörigen Tour lustig klingt: "Der" heißt das gute Stück, und im Herbst geht es auf Der-Tour. Das ist vielleicht keine Pauschalreise, aber All-Inclusive, wenn man auf lauten, zugleich spaßig klingenden und ernst gemeinten Punkrock steht.

 

Die Geschichte der Band haben wir vor zwei Jahren zum letzten Album hinreichend ausführlich erzählt. Seither ist die besagte 14er-Tour und jetzt eben neu das Album hinzugekommen (das die Band in voller Länge auf Youtube hochgeladen hat). Seither sind Pegida und die AfD groß geworden und auch bei Wizo hat sich was getan - Anlass für ein Gespräch mit Axel Kurth. Los geht's:

Axel, zunächst mal zu den Neuigkeiten: es gibt ein neues Wizo-Album …
„… und einen neuen Drummer. Das neue Album ist die erste große Zusammenarbeit mit Alex Stinson. Er ersetzt Thomas Guhl, der sein Tourleben aus familiären Gründen aufgibt. Alex spielt bei der Stuttgarter Hardcore-Band Start a Fire. Er ist unfassbar musikalisch und bei unseren Songs chronisch unterfordert (lacht). Noch wichtiger als die Musik war also, dass wir gut miteinander klarkommen – Alex ist ja gute 15 Jahre jünger als unser Bassist Ralf und ich. Wie soll ich sagen: er ist ein unglaublicher Glücksgriff, wir haben das ganze Album mit ihm eingetrommelt.“

Spielt ihr bei eurer Festivaltour die neuen Songs? Im Netz kann man sie ja schon anhören.
„Wir haben eigentlich nur zwei von den neuen Songs gespielt. Für mehr ist unsere Herbsttour da. Durch die Clubs zu touren, ist für uns das wichtigste. Das hat auch die Tour 2014 gezeigt: da gehören wir hin, da wollen wir hin, da ist es heiß, laut, eng. Nach der letzten Tour hatte ich anders als sonst nicht erstmal ein halbes Jahr Burnout, sondern gleich neue Songs geschrieben. Unsere vielen Fans haben mir geholfen, eine neue Sprache zu finden – musikalisch und auch textlich. Ich wusste wieder, für wen ich Wizo-Songs schreibe.“

2014 hast du uns noch erzählt, dass Wizo-Konzerte auch so ein bisschen auf der Retroschiene fahren.
„Wir haben bei unserer Tour für 40 000 Menschen gespielt. Das hat mir ein ganz neues Selbstbewusstsein gegeben, eben dass unser Tun eine absolute Daseinsberechtigung hat. Klar hat Punkrock Grenzen: technisch und musikalisch ist man am oberen Ende der Fahnenstange angelangt, und wir müssen unsere Botschaften in einem dreiminütigen Song unterbringen.“

Und was sind eure Botschaften?
„Wir gehören nicht zu dem Scheiß dazu, den wir um uns herum als falsch empfinden. Wir müssen zwar dieselben Straßen benutzen und im selben Supermarkt einkaufen wie die rechten Penner. Und natürlich ist die sofortige Abschaffung aller Herrschaftssysteme ein bisschen viel verlangt. Aber wenn wir im Kleinen das Leben etwas gleicher und gerechter machen, ist auch schon viel geholfen.“

Die aktuelle politische Lage müsste jemand wie dir doch Sorgen bereiten.
„Man kann sich auf den gesunden Menschenverstand, auf ein Mindestmaß von Anstand und Moral nicht verlassen. Dass ein paar Schreihälse braunen Rotz von sich geben, ist ja nicht neu. Allerdings bin ich nicht bereit, die neue vermeintliche Normalität in sozialen und Massenmedien zu akzeptieren. Die AfD-Pfosten hab ich schon immer zum Kotzen gefunden, egal ob sie sich früher NPDler oder Republikaner genannt haben. Aber es ist schon unglaublich, dass die große schweigende Mehrheit das so über sich ergehen lässt.“

Wizo sind jetzt plötzlich wieder politisch relevant.
„Eigentlich sind es goldene Zeiten für unsere Subkultur, weil es sehr viel zum Schimpfen gibt. Aber ich könnte da gut drauf verzichten. Viele unserer Lieder, die wir 1994 geschrieben haben, sind so unfassbar aktuell. Und das ist so traurig.“

Eure Fans müssten das doch super finden.
„Unsere Hardcore-Fans eh. Und auch solche Hörer, die uns zum Beispiel auf Festivals neu entdecken und für die wir ein unverblümtes Sprachrohr gegen die rechten Pfosten sind. Andere hingegen hören ganz selbstverständlich deutschen Punkrock, kritisieren aber unsere politisierte Haltung. Dabei war Punkrock immer klar politisch und klar links. Zumindest für uns!“

Lass uns über eure Tour sprechen. Spielt ihr wieder in den gleichen Läden wie vor zwei Jahren?
„Es gibt schon so eine Kategorie von Club, zu der wir passen. Klar könnten wir auch nur 10 Konzerte spielen, dafür in 4000er-Hallen. Wir finden für uns aber Konzerte in Clubs am geilsten, die maximal LKA-Größe haben. Das können wir auch technisch am besten wuppen, wir bauen ja auch selbst gern mit auf und ab. Vor allem aber kriegen wir da unsere spezielle Energie hin, auch für die Ansagen. Das Geblödel zwischen den Songs macht ja mittlerweile ein Drittel eines Wizo-Konzerts aus - und das funktioniert nicht in einer Turnhalle und auch nur beschränkt auf einem Open-Air.“

Das heißt, ein Wizo-Konzert heute ist anders als eine vor zwanzig Jahren?
„Zwischendurch haben wir bis hin zu Nightlinern allen möglichen Quatsch ausprobiert. Generell sind wir heute genauso unterwegs wie vor zwanzig Jahren – und stark in das konkrete Konzert involviert: welche Supportband spielt, welche Musik läuft beim Umbauen, wie ist der Club gestaltet? Im LKA verbringe ich locker ein paar Stunden damit, die Jack-Daniels-Banner abhängen zu lassen. Ich habe keinen Bock, irgendwelche multinationalen Kackkonzerne zu bewerben, während wir Anti-Globalisierungs-Slogans raushauen.“

Baut ihr auf eure Fanbase oder wollt ihr auch neue Hörer ansprechen?
„Wir profitieren natürlich davon, dass wir in den fetten Neunzigern noch richtig Platten verkauft haben. Mehreren Generationen von Heranwachsenden haben wir ihr Erwachsenwerden musikalisch illustriert. Heute schreiben viele von denen, dass sie nicht kommen können, weil sie keinen Babysitter organisiert kriegen …“

Und musikalisch?
„Natürlich sind wir Neunzigerjahre-Gestalten, wir wurden da sozialisiert und klingen so. Aber ich versuche, die Entwicklung aufzunehmen, das sprachlich und textlich weiterzuführen. Unser neuer Drummer Alex ist da ein Megajoker, er bringt einen ganz anderen Wind rein, ganz viel neue Power. Klar wollen manche unserer Anhänger auch die Retroshow erleben. Aber wir versuchen, das auch mit neuen Songs oder unserer Supportband zu vergiften.“

Starke Ansage. Danke für das gute Interview
„Es geht eben immer um die Punchlines, im Punkrock wie auch im Journalismus!“

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