Die US-Friedensaktivistin Benjamin kämpft gegen die Drohneneinsätze. Sie hält sie für unrechtmäßig und kontraproduktiv. Die Kommandozentrale für Africom ist in den Stuttgarter Kelley Barracks untergebracht. Am Sonntag wurde dort demonstriert.

Stuttgart – - Die Amerikanerin Medea Benjamin ist überrascht, wie wenig die Deutschen wissen über die Rolle von Africom, dessen Kommandozentrale seinen Sitz in Stuttgart hat, und die der US-Basis in Ramstein.
Frau Benjamin, in jedem Krieg – auch gegen Terroristen – gibt es Kollateralschäden und zivile Opfer. Warum streiten Sie so vehement gegen US- Drohnen?
Medea Benjamin Foto: dpa
Drohnen töten nicht nur viele unschuldige Menschen. Wir glauben, dass sie auch kontraproduktiv sind. Sie erzeugen neuen Terrorismus. Ich war in Afghanistan, Pakistan und im Jemen. Es es ist überall dasselbe: Wenn bei einer Drohnenattacke zehn Menschen getötet werden, dann wechseln deswegen 100 Leute zu den Taliban oder zu Al-Kaida. Die Drohnen sind keine Lösung im Krieg gegen den Terrorismus, sie verlängern ihn nur. Im Übrigen: man könnte viele Terroristen einfach gefangen nehmen. Im Jemen beispielsweise gibt es viele Checkpoints an den Straßen. Dort könnte man Terrorverdächtige verhaften. Nach dem Völkerrecht hätten sie das Recht, sich zu ergeben und das Recht auf ein Gerichtsverfahren. Einer Drohne kann man sich nicht ergeben.
Wie beurteilen Sie die Rechtslage?
Die USA handeln gegen das Völkerrecht. Sie verstehen den Einsatz der Drohnen als eine Selbstverteidigung. Sie behaupten, der Krieg gegen Al-Kaida und mit Al-Kaida befreundeten Truppen könne überall stattfinden. Es sind die USA, die definieren, wer Al-Kaida-Sympathisanten sind. Nach dem Völkerrecht kann ein Staat sich auch mit einer Attacke verteidigen, um Leben zu retten, wenn eine Gefahr unmittelbar bevorsteht. Aber die USA dehnen diesen Begriff des „unmittelbar bevorstehend“. Sie sagen, es könnte uns irgendwann und irgendwo jemand angreifen. Das hat mit „bevorstehend“ nichts zu tun.
Welcher Fall hat Sie stark berührt?
Eine Drohnenattacke am vergangenen Donnerstag ist mir zu Herzen gegangen. Bei einem Angriff auf eine Hochzeitsgesellschaft im Jemen starben 15 Menschen. Das ist tragisch, eine Hochzeit ist ein feierlicher Anlass, die Menschen freuen sich darauf. Dann hat man sie mit einem Konvoi von Al-Kaida verwechselt. Der Pilot der Drohne sitzt 8000 Meilen weit weg in den USA, für ihn ist ein Auto ein Auto, ein Konvoi ein Konvoi, Aber er kann aus dieser Entfernung nicht wissen, ob es sich um bewaffnete Militante handelt oder nicht. Die Getöteten waren alle Zivilisten.
Wie ist die Stimmung in den betroffen Ländern?
In Pakistan beispielsweise gibt es eine Blockade vor einer US-Basis als Protest gegen einen Drohnenschlag. Es gibt viele Demonstrationen, wir selbst waren in einem riesigen Protestzug in einem Stammesgebiet. Die Regierung und der Premier wollen die Drohneneinsätze nicht. Aber gerade war der US-Verteidigungsminister in Pakistan und drohte die US-Hilfe von 1,6 Milliarden Dollar zu stoppen, wenn die Blockade nicht aufhört. Das ist eine Politik der starken Muskeln – gegen den Willen des Volkes und der Regierung in Pakistan.
Wie sehen Sie Africom in Stuttgart?
Ich war überrascht, wie wenig die Deutschen wissen über die Rolle von Africom und die der US-Basis in Ramstein. Es ist klar, dass Africom die Kommandozentrale für Afrika ist, hier findet die Zielfindung statt. Es scheint, als ob die USA ihr Interesse vom Mittleren Osten und Asien stärker auf Afrika lenken, Africom gewinnt dann an Bedeutung, nicht nur für Drohnenattacken auf Somalia, sondern auch auf mögliche Ziele in Westafrika.
Was sollten die Deutschen tun?
Genau fragen, was in Africom und Ramstein passiert. Werden dort deutsche Gesetze missachtet, muss die deutsche Regierung verlangen, dass das aufhört. Geschieht dies nicht, sollte sie die Basen schließen. Bei einer Podiumsdiskussion am Samstag in Stuttgart haben Teilnehmer die Drohnentötungen als Mord bezeichnet. Wenn man es so sieht, macht sich Deutschland der Komplizenschaft schuldig.
Wie stark ist Ihr Rückhalt in den USA?
In den letzten sechs Monaten erhalten wir eine starke Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Es ist uns gelungen, Opfergruppen von Drohnenschlägen aus Pakistan und dem Jemen in die USA zu bringen. Die waren in den Hauptnachrichten, in der „New York Times“ und der „Washington Post“ und erzählten sehr bewegend ihre Geschichten. Vor zehn Jahren haben die Drohnenattacken begonnen, aber erst jetzt haben wir Visa für Drohnenopfer erhalten. Ihre Stories haben die Amerikaner berührt und aufgerüttelt. Die öffentliche Meinung kippt allmählich, die Befürworter der Drohneneinsätze werden weniger.

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