Die EU-Kommission verwässert die Standards für Arzneimitteltests, kritisiert Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery.


Stuttgart -Herr Montgomery, die EU-Kommission will mit ihrer Novelle den medizinischen Fortschritt fördern. Warum stört Sie das?
Um Fortschritt geht es gar nicht, es geht nur um die wirtschaftlichen Interessen der Pharmaindustrie. Wir haben in Deutschland einen hohen Sicherheitsstandard für die Probanden bei der Prüfung von Arzneimitteln. Geht es nach der Europäischen Union, kann sich die Industrie künftig aussuchen, in welchem Land der EU sie ihre großen Arzneimittelstudien durchführt. Das könnten Länder wie Bulgarien, Rumänien oder Malta sein. Das Ergebnis der Anerkennung eines Medikaments müsste von anderen Ländern übernommen werden. Das würde unseren Sicherheitsstandard senken. Das können wir nicht akzeptieren.

Wer sind die Opfer der Novelle?
Die Patienten und die Probanden: wir haben in Deutschland einen hohen Schutzstandard für die Versuchsteilnehmer, sie müssen gegen viele Risiken versichert sein. Wir haben einen hohen Schutz von Menschen, die bei Forschungen nicht einwilligen können, etwa Bewusstlose, Kinder und Demente. Das haben Sie in anderen Ländern so nicht. Wir haben eine Ethikkommission, die die Sinnhaftigkeit der Studie prüft, ihr zustimmen muss und Sicherheitsregeln festlegt. Bei multinationalen Studien sind es mehrere Ethikkommissionen. Das finden wir in diesem EU-Entwurf nicht. Der sieht staatliche Genehmigungen mit kurzen Fristen vor, alles, um der Pharmaindustrie das Geschäft zu erleichtern. Die profitiert davon.

Was hat die EU denn da geritten?
Marktinteressen rangieren bei der EU über ethischen Interessen. Die Arzneimittelprüfung ist abgedriftet vom Gesundheits- ins Wirtschaftsressort.

Wie kann man den Entwurf verbessern?
Wir brauchen die obligatorische Beteiligung unabhängiger Ethikkommissionen. Wir brauchen mehr Zeit für die Genehmigungen, die Haftpflicht muss gewährleistet sein. Die Industrie darf sich nicht frei aussuchen, wo sie die Untersuchungen macht. Das muss dort erfolgen, wo die Kranken und die wissenschaftlichen Institute sind.

Das Gespräch führte Christoph Link.