Die Immobilienpreise in Suttgart gehen durch die Decke. Hanspeter Gondring, Experte für Immobilienwirtschaft von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, warnt davor, dass in etwa zehn Jahren ein deutlicher Wertverlust einsetzen könnte.

Stuttgart - Hanspeter Gondring, Experte für Immobilienwirtschaft, warnt davor, dass in etwa zehn Jahren ein deutlicher Wertverlust einsetzen könnte.

 
Warum gehen die Immobilienpreise in Stuttgart durch die Decke, Herr Gondring?
Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass das weder ein spezifisches Stuttgart-Phänomen ist noch eine Entwicklung, die für die gesamte Bundesrepublik gilt. Vielmehr gibt es in etwa 18 deutschen Städten sogenannte Hotspots mit Steigerungen bei den Bodenpreisen, den Kaufpreisen und den Mieten, dazu gehören übrigens auch die Universitätsstädte Konstanz und Freiburg. Der Grund ist relativ einfach: In den Jahren 2000 bis 2011 sind zu wenig Wohnungen gebaut worden. Dadurch ist auf der Angebotsseite eine Lücke entstanden. Das treibt die Preise natürlich nach oben. Wir haben eine Million mehr Studenten als vor zehn Jahren, nicht nur Singles zieht es in die Städte und das Niveau der Hypothekenzinsen ist auf einem historischen Tiefstand. Dazu kommt: Keiner will seine Wohnung verkaufen, aber alle wollen kaufen.
Hört diese Schieflage denn nie auf?
Ich gehe davon aus, dass sich der enorme Nachfrageüberhang bis zum Jahr 2017 abgebaut hat, dann stabilisiert sich die Lage zunächst auf hohem Niveau und mit einer Wirkungsverzögerung von bis zu fünf Jahren hat sie sich wieder normalisiert. Derzeit fehlen in Deutschland schätzungsweise eine halbe Million Wohnungen. Die hohen Preise befeuern den Wohnungsneubau, sodass rechnerisch bis zum Jahr 2017 dieses Defizit abgebaut sein müsste, wenn die Bauleistung mindestens so bleibt wie in den vergangenen zwei Jahren.
Hanspeter Gondring Foto: StZ
Sie selbst würden derzeit keine Immobilie kaufen?
Ein Immobilienexperte wohnt lieber zur Miete. In Immobilien habe ich schon vor langer Zeit investiert. Wer heute zu teuer einkauft, hat auf lange Sicht keine Chance, Wertsteigerungen zu realisieren, er sollte die Immobilie also mindestens 20 Jahre halten können. Ein Kauf ist derzeit suboptimal, man arrangiert sich mit der zweitbesten Lösung. Da schwingen drohende Währungsverluste, die Inflationsangst und die extrem niedrigen Opportunitätskosten der Anlageoptionen mit, sprich: Man findet aktuell wenig, wo das Geld rentabler angelegt wäre.
Was wäre dann die beste Lösung?
Keinen Anlagedruck zu haben. Ich habe schon vor einiger Zeit meine Cash Flows so disponiert, dass ich jetzt keine Mittel habe, die angelegt werden müssen. Hätte ich aber jetzt eine halbe Million Euro übrig, würde ich überlegen, sie in Wald zu investieren.
Ein Baumhaus?
Nein, als Anlage in eine Ressource, die in Sachen Nachhaltigkeit nahezu ohne Zutun jeden Tag und mit jedem Kubikmeter im Wert steigt.
Aber was machen diejenigen, die einfach eine größere Wohnung brauchen?
Die haben ein Riesenproblem. Ihnen wird zunächst nichts anderes übrig bleiben als möglichst wohnen zu bleiben, wo sie sind, oder in den sauren Apfel zu beißen und die am Markt aufgerufenen Preise zu zahlen. Aber wir sehen eine deutliche Verlangsamung der Umzugsgeschwindigkeit, was darauf schließen lässt, dass die Menschen Umzüge eher hinausschieben. Zumal zu bedenken ist, dass neben steigenden Mieten auch mit steigenden Nebenkosten zu rechnen ist.
Hat hier auch die Politik versagt?
Höchstens insofern als die Kommunen in der entscheidenden Zeit den Wohnungsbau zu wenig vorangetrieben und vor allem zu wenig sozialen Wohnraum geschaffen haben. 1995 wurden in Stuttgart rund 1400 Sozialmietwohnungen gebaut, 2012 waren es noch knapp 30, und der Bestand ist von ursprünglich 75 000 auf knapp 20 000 geschrumpft.