Vor allem der extrem schnelle Sortimentswechsel macht Primark zum angesagten Label bei den Jugendlichen, sagt der Marketingexperte Ingo Barlovic

Stuttgart - Vor allem der extrem schnelle Sortimentswechsel macht Primark zum angesagten Label bei Jugendlichen, sagt der Marketingexperte Ingo Barlovic vom Forschungsinstitut Iconkids & Youth mit Sitz in München.

 
Herr Barlovic, Ladeneröffnungen von Abercrombie & Fitch oder Primark lösen in den betreffenden Städten regelrechte Massenhysterien bei Jugendlichen aus. Woher kommt dieser Hype?
Ingo Barlovic Foto: StZ
Das ist kein total, aber doch relativ neues Phänomen, das Mitte der 80er Jahre mit H&M begann. Das waren die ersten, die die Demokratisierung der Mode mit saisonal angesagten Stücken zu günstigen Preisen erreichten. Primark treibt dieses Prinzip auf die Spitze. Der Austausch über Social Media verstärkt jetzt den Hype, ist aber nicht der einzige Grund dafür. Es ist spannend, dass viele vor Jahren prognostizierten, die Jugend würde bald nur noch im Internet shoppen. Von wegen – eröffnet ein angesagter Offlineshop, rennen ihm die Jugendlichen die Bude ein.
Stores wie Hollister mit der dunklen und lauten Clubatmosphäre setzen wohl auf das Shoppingerlebnis.
Das wird sicher als Kontrast zum Internet gezielt eingesetzt. Allerdings tut es das Erlebnis allein auf Dauer nicht. Die Marke ist teuer, und in der Dunkelheit sieht man ja nicht wirklich, ob das Kleidungsstück gut aussieht oder schon Macken hat. Jugendliche sind erstaunlich nutzenorientiert. Neben dem modischen Trendfaktor und dem Preis spielt deshalb die Convenience, also Praktikabilität wie zum Beispiel beim Anprobieren, die größte Rolle.
Und an welcher Stelle stehen die ethische und soziale Verantwortung eines Textilunternehmens?
Die Masse der Jugendlichen interessiert sich nicht für Nachhaltigkeit oder „gute Mode“. Sie kauft Klamotten nicht fürs Leben, sondern für ein paar Monate. Primark setzt deshalb erfolgreich auf einen sehr schnellen Wechsel des Kollektionen. Das ist wie eine Wundertüte. Man kann in kurzen Abständen immer wieder dorthin gehen und findet stets Neues für wenig Geld. Wenn das Unternehmen dieses Tempo halten kann bei zumindest vordergründig gleichbleibender Qualität, kann ich mir vorstellen, dass es sich lange halten kann. Aber keiner mag’s nur billig. Das wird kombiniert mit teureren Teilen. Die wenigsten würden sich aber komplett bei Hollister einkleiden. Deren Margen müssen extrem hoch sein, damit sich das lohnt. Man hört ja schon, dass das Unternehmen Umsatzprobleme hat. Hochpreisige Marken wie Miss Sixty oder das Label American Apparel, das sich die soziale Verantwortung auf die Fahnen geschrieben hat, sind auch fast schon Nischenprodukte.
Sie haben aktuell erhoben, welche Marken bei 12- bis 19-Jährigen cool sind.
Weil Jungs konservativ sind und sich ihren Style weniger selbst zusammenmischen sind die Top drei die Klassiker Adidas, Nike und Levis. Mädchen brauchen die verlässlichen Markenzeichen weniger, sondern kreieren ihren eigenen Mix. Hier sind die beliebtesten Marken Esprit, H&M und S.Oliver, dicht gefolgt von Zara und Mango. Ich sehe übrigens zurzeit das Problem, dass Jugendliche wenige Prominente haben, an denen sie sich modisch orientieren können. Joko und Klaas sind für diese Altersklasse nicht stylisch, Miley Cyrus und Lady Gaga Skandalnudeln, Rihanna füllt auch nur noch die Klatschspalten. Und bei den Sportlern für die Jungs sieht es bei den Fußballern und mit einem relativ blassen Rennfahrer Sebastian Vettel auch ziemlich mau aus. Es fehlen die modischen Vorbilder. Das ist ein Vakuum.