Exklusiv Professor Claus Wolf, der oberste Denkmalschützer im Land, enthüllt im StZ-Interview erste Details über die Funde auf der S-21-Baustelle: "Die Überreste der Brennöfen stammen vermutlich aus der Römerzeit". Doch es gibt noch weitere Erklärungen.

Stuttgart - Zuerst war es ein Steinkopf, über dessen Bedeutung noch gestritten wird, dann ein Kanal aus Sandsteinplatten und zuletzt die Öfen – seit die Bahn im Mittleren Schlossgarten für den Trog des neuen Tiefbahnhofs arbeitet, häufen sich die archäologischen Funde. Professor Dr. Claus Wolf, der Leiter des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, ordnet im StZ-Interview die Funde ein und bietet damit einen Einblick in die faszinierende Arbeit seiner Experten. Zudem verteidigt er sich gegen Vorwürfe, das Amt müsse auf der S-21-Baustelle mehr Präsenz zeigen.

 
Herr Professor Wolf, Stuttgart 21 ist die größte Baustelle des Landes. Welche Bedeutung hat sie für die Denkmalschützer?
Das ist eine schwierige Frage – und ich bin da gespalten. Das eine betrifft den Hauptbahnhof selbst. Es dürfte bekannt sein, dass es für uns schmerzhaft war, dass das Gebäude die beiden Flügel verloren hat. Wir müssen sehen, was als Kulturdenkmal übrig bleibt, wenn der neue Bahnhof fertig sein wird. Das andere ist das Baufeld, das nun neben dem Bahnhof im Mittleren Schlossgarten aufgemacht wird. Da ist die Archäologie betroffen – und wir sind an vier Fundplätzen seit eineinhalb Jahren immer wieder tätig geworden.
Angefangen hat es mit dem Sandsteinkopf?
Richtig, aber der Sandsteinkopf ist in keiner archäologischen Schicht gefunden worden. Wir reden hier von einer Überschwemmungsschicht, . . .
. . . die durch eine Überflutung des Nesenbachs entstand?
Durch mehrere Überflutungen. Dieser Kopf befand sich in einer dieser Schichten, die keinen geschlossenen historischen Horizont darstellen. Neben dem Kopf gibt es Scherben aus ganz unterschiedlichen Epochen. Für unsere Experten ist der Kopf aus kunsthistorischen Gründen erheblich jünger als vielfach kolportiert – ältestens 18. Jahrhundert, vielleicht sogar beginnendes 19. Jahrhundert, mitnichten also Spätmittelalter oder noch früher. Das ist ein Einzelfund, aber aus ihm lässt sich nichts ableiten für die Besiedlung Stuttgarts. Er gehörte sicherlich zu einem Bauwerk, das zerstört worden ist – aber zu welchem, darüber zu spekulieren, dazu würde sich keiner unserer Spezialisten hinreißen lassen.
Der zweite, im November 2013 entdeckte Fund war der Teil eines Kanals . . .
Zuerst: dieser Fund hat ganz sicher nichts mit den später gefundenen Steinplatten zu tun. Dieser Kanal ist aus dem 19. Jahrhundert, und er ist ganz sicher kein Kulturdenkmal. Wir haben ihn dokumentiert, aber da ist nichts aufgehoben worden.
Und wie schätzen Sie die Funde ein, die in diesem August gemacht wurden?
Da geht es um den aus Steinplatten gebildeten Kanal und die Öfen. In beiden Fällen handelt es sich zweifelsfrei um archäologisch bedeutsame Relikte. Der Kanal liegt drei Meter unter der heutigen Oberfläche. Wir haben ihn auf einer Länge von 27 Metern freigelegt. Es sind gut gearbeitete Platten aus Schilfsandstein.