Im Interview spricht Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels über Self-Publishing, Amazon – und warum er nicht daran glaubt, dass das Verlegen am Verlag vorbei den Buchmarkt stark verändern wird.

Stuttgart
Heinrich Riethmüller (58) trat 1977 in das elterliche Unternehmen, die Tübinger Buchhandlung Osiander, ein und wurde 1983 geschäftsführender Gesellschafter. Seit 2013 ist er Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – und fungiert damit als Sprachrohr für Verlage und Buchhandel.

 
Herr Riethmüller, beim Self-Publishing entscheidet das Publikum, was gefällt, und nicht mehr ein Verlag. Sind klassische Verlage in unserer digitalen Zeit womöglich überholt?
Der Leser hat schon immer entschieden, was ihm gefällt und was nicht. Verlage versetzen sich deshalb bei ihrer Auswahl selbstverständlich in den Leser. Gerade in Zeiten des Informationsüberflusses wird die Betreuung und Sichtbarmachung von Inhalten immer wichtiger und damit auch das, was die Kernkompetenz von Verlagen ist. Self-Publishing ist dabei ein Publikationsmodell, das das Verlagsangebot ergänzt. Gerade für Autoren, die ein Talent haben, sich selbst zu vermarkten, bietet es viele Chancen. Die 360-Grad-Betreuung für Autoren mit kritischem Lektorat und gezieltem Marketing für das  Buch gibt es aber nur bei einem Verlag und das ist für den Großteil der Autoren essenziell.
Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Foto: dpa
Wird der Selbstverlag die Branche in Zukunft verändern?
Der Buchmarkt ist momentan im Wandel begriffen. Neue Editions- und Vertriebsformen entstehen und diese fordern die Marktteilnehmer heraus. Self-Publishing ist ein Teil dieses Prozesses – er beeinflusst die Art, wie Bücher in Zukunft produziert und gelesen werden. Ich gehe aber nicht davon aus, dass Self-Publishing den Markt kolossal verändern wird, da die Autoren und letztlich auch die Kunden nicht auf die Leistungen der klassischen Verlage verzichten wollen.
Amazon ist auf dem verlegerischen Sektor sehr erfolgreich. Verlage und Buchhandel zeigen sich gegenüber dem Verlagsprogramm des Internetgiganten trotzdem erstaunlich gelassen.
Wir beobachten die Anfänge von Amazon im deutschen Verlagsgeschäft aufmerksam, sind aber nicht in Panik. Ob Amazon als Verlag in Deutschland letztlich Erfolg hat, muss sich noch zeigen.
Aber besteht nicht die Gefahr, dass Amazon den Verlagen die großen Autoren abwirbt?
Sicherlich ist das Angebot von Amazon, das mit höheren Honoraren lockt, für manche reizvoll. Doch ein Großteil der Autoren schätzt das Komplettpaket an Betreuung, Lektorat und Vermarktung, das sie bei einem Verlag bekommen. Etliche Autoren möchten zudem das System von Amazon nicht unterstützen, das letztlich Qualität und Vielfalt auf dem Buchmarkt gefährdet.