Stuttgart hat seine erste Satire-Website: Peter Buchholtz vom "Stuttgarter Boten" transformiert den Postillon-Stil auf lokale Ebene. Und das macht er ziemlich gut. Im Interview verrät er, was ihn an der Kommunikation mit seinen Nutzern langweilt.

Stuttgart - „Transit und Bergamo gehen getrennte Wege" oder „Schlossplatz Stuttgart – NSA-Abhörantenne in Jubiläumssäule entdeckt“: So lauten die Überschriften der Satire-Website "Stuttgarter Bote" (StB). Die Texte sind in sachlich-nüchternem Tagesschau-Stil verfasst. Nur: Es handelt sich - mal deutlicher, mal subtiler - immer um Satire. Der Stuttgarter Bote ist sozusagen der Stuttgarter Ableger der Satire-Site "Der Postillon". Im April 2014 gestartet, markierte der besagte Transit-Eintrag den Durchbruch. Darin hieß es, dass in der Mitte vom Transit / Bergamo eine Wand eingezogen wird – nicht wenige Stuttgarter Nachteulen haben das prompt geglaubt.

 

Stadtkind-Autor Martin Elbert hat mit dem Betreiber des Boten, Peter Buchholtz, über Satire in Stuttgart und die Reaktionen der Leser gesprochen.

Stuttgarter Postillon - der Vergleich liegt auf der Hand: Stört's oder voll okay?
Peter Buchholtz: Das stört mich überhaupt nicht, der StB funktioniert ja auch nach demselben Prinzip. Da es für Stuttgart bisher keine Satire-Zeitung in der Form gab, habe ich mich der Sache angenommen.

Wie kam es konkret dazu?

Die Idee kam mir vor ein paar Monaten. Ich bin ein sehr kritischer Mensch und habe auch nie daran gespart, Kritik zu äußern. Allerdings hat eine direkte Kritik immer den Nachteil, dass da etwas Negatives mitschwingt und im schlechtesten Fall die Stimmung trübt. Satire ist anders. Da kannst du meckern ohne Ende und die Leute gleichzeitig zum Lachen bringen. Das gefällt mir.

Die Texte sind gut geschrieben. Hast du einen entsprechenden Background oder ein gutes Händchen?
Background wäre jetzt übertrieben. Während andere "Shades of Grey" lesen oder Bild.de als Startseite haben, interessierte ich mich schon immer für Zeitungen und Zeitschriften mit etwas mehr Substanz.

Wie kommen Dir die Ideen für die Einträge?

In Stuttgart Ideen für eine Satirezeitung zu finden, ist nicht allzu schwer. Da gibt es so viel, was schon ohne Bearbeitung nach Satire klingt. Überregional passiert das ja auch immer häufiger, dass Meldungen so absurd sind, dass Leser dahinter Satire vermuten. Man muss kein Genie sein - man muss lediglich die Augen und Ohren offen halten.

Interessant sind die Reaktionen der Leser, offline wie online. Im Transit wurde sehr oft nachgefragt, ob das stimmt bzw. wann denn diese Wand in der Mitte eingebaut wird. Ist das eine Art Genugtuung?
Klar ist das eine Genugtuung. Es ist aber auch erschreckend zu sehen, wie da in den letzten Jahren eine Kultur des Überfliegens und Headlinelesens entstanden ist. Da werden Quellen zitiert, für voll genommen und kommentiert, obwohl man sich mit Thema und Herkunft nicht ausreichend auseinandergesetzt hat.

Der VfB-Artikel war subtiler - dementsprechend checken es die Leser noch weniger und kommen richtig in Fahrt in der Kommentarspalte. Sieht man auf der Seite nur die Spitze des Eisbergs oder lässt du alle Comments zu?
Natürlich lasse ich alle Kommentare zu. Ich möchte ja auch die Diskussion und Auseinandersetzung auf der Seite. Was mich allerdings langweilt ist, wenn Leute nur darauf warten, unüberlegte Kommentare von anderen Leuten zu kommentieren. Wenn da einer 20 mal "Satire nicht verstanden... Prädikat peinlich!" kommentiert, dann ist das mindestens genauso peinlich.

Denkst Du Dir bei manchen Reaktionen, dass man so blöd doch gar nicht sein kann?
Wer den Transit-Artikel wirklich durchgelesen hat und das trotzdem alles glaubt, muss schon sehr naiv sein, oder? Da gibt es wirklich jede Menge Hinweise im Text, dass es sich um Satire handelt. Für mich zeigt sich da, dass einige Leute zu wenig Kontakt zu Qualitätsmedien haben. Alles in allem hoffe ich aber, manche Leute ein wenig zu sensibilisieren, was die Auswahl ihrer vertraulichen Quellen betrifft.

Alles in allem stellt sich die Frage: Fehlt hierzulande das Verständnis für Satire?
Ganz und gar nicht. Ich glaube, es gibt auch viele Leute, die noch nach viel mehr Satire dürsten. Dass der Postillon doppelt so viele Facebook-Follower hat wie die FAZ, die Süddeutsche und Die Welt zusammen sagt eigentlich alles. Dass der StB so gut ankommt, hätte ich allerdings nicht erwartet.

Man sagt, Satire darf alles. Gibt es für Dich Themen, von denen Du die Finger lassen würdest?
Also definitiv zu heiß ist mir Angela Merkel. Von der würde ich die Finger lassen.