Auch andere Despoten haben mit dem Einsatz von Chemiewaffen gedroht – zum Beispiel Libyens Machthaber Gaddafi. „Die Situation ist aber nicht vergleichbar“, sagt Nahostexperte André Bank.

H

 

err Bank, wie ernst zu nehmend ist die Drohung der syrischen Regierung, im Falle einer Intervention C-Waffen einzusetzen?
Die Drohung soll vor allem die Bedeutung unterstreichen, die Syrien in der Region hat. Ob Baschar al-Assad die Waffen auch tatsächlich einsetzen wird, ist eine ganz andere Frage. Aber mit dem Arsenal, das er hat, will er ein Signal der Stärke setzen, besonders nach dem Anschlag auf seinen engsten Führungszirkel von vergangener Woche. Er widerspricht damit der Ansicht, dass ein einziger erfolgreicher Militärschlag das Regime stürzen könnte.

Assad steht dennoch zunehmend mit dem Rücken zur Wand: Welche Konsequenzen hätte ein Einsatz von chemischen Waffen etwa gegen die Rebellen?
Der Druck zur Intervention etwa auf die Türkei als Nato-Mitglied würde immens steigen. Damit würde sich Assad selbst nur schaden, weil er genau diese Situation verhindern will. Es ist allerdings vollkommen unklar, ob der Präsident überhaupt noch die komplette Kontrolle über diese Waffen hat. Genauso wie wir nicht wissen, wie viel Kontrolle Assad noch über die Regimetruppen hat.

Es gibt historische Vorbilder für die syrische Drohkulisse: Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi hat auch mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen gedroht. Ist die Situation in Syrien vergleichbar?
Nur in der Hinsicht, das die Waffen als Drohpotenzial eingesetzt wurden, wie dies bei C-Waffen meistens der Fall ist. Allerdings war es den Libyern lange Zeit technisch gar nicht möglich, diese Waffen einzusetzen. Das ist in Syrien anders.

Ein weiteres Beispiel ist der Irak.
Dort hat Saddam Hussein in zwei Fällen Giftgas eingesetzt: Im ersten Golfkrieg gegen den Iran und 1988 gegen die Kurden. Das sind aber beides Fälle, die sich von der Situation in Syrien stark unterscheiden. Beim irakischen Giftgaseinsatz im ersten Golfkrieg wurde etwa der Irak als Bollwerk gegen den revolutionären Iran regional von den konservativen Golfmonarchien unterstützt, und auch westliche Regierungen nahmen die Schwächung Teherans weithin unkritisch hin. Die Lehren, die sich hierdurch für die Lage in Syrien ergeben, sind daher sehr begrenzt.

Nutzt die Opposition das Thema mit dem klaren Motiv, das Ausland zum Eingriff zu drängen?
Ja, die Opposition versucht auf verschiedenen Wegen, eine stärkere Internationalisierung des Konflikts und damit auch eine Militarisierung von außen zu forcieren. Die Reaktionen aus Washington und Europa bleiben allerdings zögerlich. Ich halte eine kurzfristige Intervention für unwahrscheinlich.

Wie könnten die Waffen gesichert werden, wenn Assad bald stürzen würde?
Im Fall Libyen wurden die Chemiewaffen nach dem Sturz des Regimes in die USA transferiert und dort unter Aufsicht internationaler Experten zerstört. Allerdings ist sowohl unklar, um welche Waffen es sich in Syrien handelt, als auch, wo sie sich befinden.