Wer andere und sich selbst mit einer Bombe in die Luft sprengt, muss geisteskrank sein, meinen viele. Das Gegenteil ist der Fall, sagt die erfahrene Gerichtsgutachterin Nahlah Saimeh.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Auch wenn die Fälle sich unterscheiden, haben doch alle Terroranschläge, die von islamistischen Tätern begangen werden, eine Gemeinsamkeit: die Täter planen ihre Tat genau. Sie für psychisch krank zu halten, ist nach Überzeugung der forensischen Psychiaterin Nahlah Saimeh falsch und verkennt die Ursachen.

 
Frau Saimeh, gehören islamistische Gewalttäter ins Gefängnis oder in die Psychiatrie?
Mehrheitlich sind das voll schuldfähige Täter. Sie sind nicht psychisch krank und gehören nicht in eine forensische Psychiatrie, sondern in den Strafvollzug. Terror will bestehende Gesellschaftsformen erschüttern. Die Begründung fußt wahlweise auf politischen, gesellschaftlichen oder auch religiösen Inhalten. Terrorismus zu psychiatrisieren bedeutet, ihn zum medizinischen Problem herunterzureden.
Dennoch hält sich hartnäckig die Meinung, das seien doch alles Irre.
Terroristen begehen Tabubrüche. Die sind ja das Werkzeug des Terrors. Die Gewalttaten sind kalkuliert und eben gerade nicht „irre“ im Sinne von Kontrollverlust. Natürlich kann man fragen, warum sich Hass und Verachtung bis zur Selbstauslöschung steigern und die Bedingungen sind vielschichtig. Das hat mit Fanatismus zu tun, nicht aber mit psychischer Krankheit.
Wie beschreibt man dann diese Gewalttäter?
Ganz grob kann man drei Gruppen unterscheiden. Ein kleiner Teil ist wirklich psychisch krank im engeren Sinne, hat eine Psychose oder wahnhafte Störung. Aber das ist nicht die Gruppe, die uns gegenwärtig am meisten beschäftigt.
Die anderen wissen, was sie tun?
Ja. Vor allem geht es hierzulande um Männer mit einer sogenannten dissozialen Persönlichkeit. Die sind aber voll schuldfähig. Das sind Menschen, die oft schon mit anderen Delikten wie Körperverletzung und Drogenmissbrauch aufgefallen sind. Sie haben eine hohe Affinität zu Gewalt, bejahen Normenverletzungen als Mittel, eigene Interessen rücksichtlos durchzusetzen. Wenn sie sich durch eine gewisse Ideologie radikalisieren, erfahren sie einen Aufstieg vom outlaw zu einem wichtigen Mitglied einer Vereinigung. Die eigene Aggressivität kann in den Dienst von etwas Höherem gestellt werden.