Ingo Totzke von der Universität Würzburg erforscht das menschliche Verhalten im Straßenverkehr. Von einem Auto, das dem Fahrer alles abnimmt, hält er nichts.

Würzburg - Herr Totzke, die Hersteller sind sich sicher, dass in einigen Jahren autonome Fahrzeuge auf den Straßen fahren werden. Aber werden die Menschen das überhaupt akzeptieren?

 
Aus heutiger Perspektive sind sie noch nicht bereit, die komplette Verantwortung an ein System zu delegieren. Es geht ja um Sicherheit, um Leben.
Der Großteil der Unfälle geht auf menschliche Fehler zurück. Sind wir nicht die Schwachstelle im System?
Dafür dass in Deutschland rund 60 Millionen Menschen täglich am Straßenverkehr teilnehmen, passiert erstaunlich wenig. Natürlich ist jeder Unfall mit Personen- oder Sachschaden beklagenswert. Aber in manchen Dingen ist der Mensch nach wie vor besser als die Maschine. Wir sind im komplexen Denken sehr gut, wir können Fehler anderer vorhersehen. Daran scheitern Maschinen, zumindest zurzeit noch. Natürlich sind Assistenzsysteme dazu geeignet, Fehler von Menschen abzuschwächen und sogar zu kompensieren. Andererseits entstehen gerade durch ihre wachsende Zahl wieder neue Gefahrenquellen: Die Rolle des Fahrers wird auf die Kontrolle und Beobachtung der Assistenzsysteme reduziert. Diese Freiheit führt häufig dazu, dass die Fahrer sich anderen Aktivitäten widmen und ablenken lassen.
Ist es nicht die Idee hinter dem autonomen Fahren, dass wir die Fahrzeit für andere Dinge nutzen können?
Das Problem entsteht, wenn das System mit einer Situation überfordert ist und wieder an den Fahrer übergibt. Dieser muss dann in Sekundenschnelle in einer heiklen Situation übernehmen. Prozesse über einen längeren Zeitraum nur zu beobachten, ohne etwas zu tun, fällt uns Menschen schwer. Wir schalten ab, wenn wir nicht gebraucht werden.
Wie lässt sich dieses Problem lösen?
Man müsste Phasen anbieten, in denen der Fahrer aktiv werden muss. In einer meiner Studien habe ich Testfahrer im Simulator eine Autobahnfahrt weitgehend autonom fahren lassen. Eine Gruppe fuhr ein Fahrzeug, dessen Geschwindigkeits- und Abstandshaltung von der Assistenz erledigt wurde, und musste diese nur überwachen. Eine zweite Gruppe durfte ab und zu stark bremsen und Gas geben. Die zweite Gruppe hatte Spaß, die erste war gelangweilt. Zu viel Assistenz nimmt dem Fahren den Spaß.
Hat Sicherheit nicht Vorrang vor Spaß?
Das eine schließt das andere nicht aus. Assistenzsysteme beeinflussen die Aufmerksamkeit des Fahrers, und das im schlimmsten Fall negativ. Warum baut man nicht Assistenzen, die den Fahrspaß unterstützen? Der Fahrer muss bei der Stange bleiben, auch wenn er passiv ist.
Der Blinde aus der Google-PR-Kampagne wird sein autonomes Auto kaum überwachen können. Haben wir ein falsches Bild vom autonomen Fahren, wenn wir es uns ohne Fahrer vorstellen?
Der Fahrer wird noch lange gebraucht werden. Was ist, wenn die Systeme ausfallen oder versagen? Man muss überlegen, wie viele Fehler einer Maschine der Mensch kompensieren kann. Die Gefahr ist, dass die Menschen die Fähigkeit zum Fahren verlernen.
Wird das autonome Auto womöglich ein Flop?
Ich bin begeistert von der Idee. Aber Automation und Assistenz sind nicht per se perfekte Lösungen. Probanden sagen momentan in jeder Befragung: Man muss das System ausschalten und selbst fahren können. Sie akzeptieren und nutzen die Assistenz, wollen aber Herr im Ring bleiben. Es wird harte Arbeit sein, die Menschen zu überzeugen, dass automatisches Fahren die Lösung ist.