Für Wolfgang Lützner ist der Schlossberg nicht das ganz große Sorgenkind der Stadt. Der Böblinger Oberbürgermeister lässt sich auf einen Diskurs über die Weiterentwicklung des Stadtteils ein. Er sieht den Handlungsspielraum der Stadt aber als begrenzt an.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)
Böblingen - Der Schlossberg und die Altstadt haben in diesem Sommer die Böblinger beschäftigt. Der Gemeinderat stellte einen interfraktionellen Antrag, der ein Konzept für das Quartier fordert. Das Gewerbeforum hat in mehreren Veranstaltungen Verbesserungsvorschläge gesammelt. Wolfgang Lützner sieht vor allem ein Problem: Die Stadt hat kein Geld für große Veränderungen.
Herr Lützner, die ganze Stadt diskutiert über den Schlossberg – nur von der Verwaltung hört man wenig . . .
Die Stadtverwaltung ist an dem Thema durchaus dran und auch stark interessiert. Der Schlossberg ist allerdings nicht das ganz große Sorgenkind der Stadt. Dort gibt es kaum oder keine Leerstände. Der Schlossbergring ist gekennzeichnet von einem Altbestand an Einzelhandel und Lokalen, die in ihrer Ausstattung und Größe nicht den aktuellen Standards entsprechen. Wenn man in diesem Bereich andere Läden haben möchte, muss man etwas an den Gebäuden tun. Und da reden wir über relativ dicke Bretter, die zu bohren sind, und über viele Jahre, bis sich etwas verändert. Schließlich müssen die Mieter und Eigentümer eingebunden werden und Geld in die Hand nehmen.
In der Bürgerschaft ist der Schlossberg ein großes Thema: Millionen flossen in die Unterstadt, die Altstadt lässt man hängen, ist der Eindruck. Können Sie das nachvollziehen?
Ich kann es sehr gut nachvollziehen, dass ein Teil der Bevölkerung den Wunsch nach einer Veränderung hat. Aber man muss konkret erfassen, was da oben schlecht ist. Es reicht nicht, nur zu sagen: Ich will alles anders haben. Ich muss konkret benennen, wo was im Argen liegt und sagen, wie ich das Problem löse und dies auch bezahle.
So gesehen ist der interfraktionelle Antrag aus dem Gemeinderat für ein Konzept für das Gebiet keine schlechte Sache.
Der Ansatz ist völlig richtig, dass man sagt: Wir haben Handlungsbedarf und wollen jetzt anfangen, um die Situation mittel- und langfristig zu verbessern. Dagegen hat sich die Verwaltung auch nie gewehrt. Wir wehren uns nur gegen Strohfeuer und Schnellschüsse. Der Antrag wird jetzt abgearbeitet. Wir müssen dazu alle Beteiligten an einen Tisch holen. Die Investitionen können ja nicht allein von der Stadt getragen werden. Wenn ich dort neues Pflaster verlege und neue Lampen aufhänge, kommen nicht mehr Menschen. So einfach ist es nicht. Da gibt es nicht den einen tollen Vorschlag und dann läuft alles. Das ist Wunschdenken.
Die Stadt könnte mehr tun, als nur an der Optik etwas zu verändern. Ihr Vorgänger wollte auf dem Schlossberg eine Galerie bauen, ist aber am Gemeinderat gescheitert.
Das wäre doch nur ein kleiner Baustein einer Aufwertung. Es sollte doch niemand glauben, dass eine Galerie da oben tausende von Leuten anzieht. Es gibt nach wie vor einige die sagen, wir sollen da oben etwas Schönes hinbauen. Aber wenn Sie sich die Haushaltslage anschauen: Es ist kein Geld übrig für ein weiteres öffentliches Gebäude. Wenn man das will, muss man an anderer Stelle etwas schließen.
Der Schlossberg ist ja nicht erst Ihr Problem. Warum ist das Gebiet so problematisch?
Das liegt an der geografischen Struktur mit den vielen Ebenen vom Schloss bis zum Schlossbergring. Und wir haben das Pech – oder sagen wir das Glück – dass die Einzelhandelslandschaft durch das Kaufhaus Hertie und das Kauf-Centrum in den 1960er Jahren in die Untere Stadt verlegt wurde und sich der Bestand um den Schlossbergring nicht zeitgemäß entwickelt hat. Der Wunsch vieler, den ich gut nachvollziehen kann, die gerne tolle Fachgeschäfte am Schlossberg hätten, ist nicht mehr realistisch. Es wird kein tolles Geschäft an den Marktplatz ziehen.
Wie sieht dann die Zukunft aus?
Da habe ich kein Patentrezept. Es gibt ja verschiedene Ideen. Manche Leute sagen: Macht ein Wohngebiet daraus, weil es eine tolle ruhige Wohnlage ist. Wohnungen sind gefragt. Es gibt Leute, die sagen: Macht eine tolle Gastro-Szene. Dann darf ich keine Wohnungen daneben haben. Es ist nicht so einfach, ein Problem zu lösen – vor allen Dingen ohne Geld. Mein Veranstaltungsmanager sagt mir: Herr Lützner gib’ mir eine Viertel Million, dann steppt auf dem Marktplatz den ganzen Sommer über der Bär. Man kann alles machen, wenn jemand da ist, der es bezahlt. Ideen gibt es viele.
Das klingt sehr ernüchternd: Es ist kein Geld da, man kann also letzten Endes fast nichts machen.
Das habe ich so nicht gesagt. Es ist kein Geld da, um große öffentliche Gebäude zu bauen, die als Anker und Magnet wirken könnten. So eine große Galerie von Würth, die tausende von Besuchern anzieht. Oder das Nixdorf-Museum, wo kürzlich ein Rathaus-Mitarbeiter war und ganz begeistert davon erzählt hat. Natürlich kann man so etwas machen und würde damit Leute aus ganz Deutschland anziehen. Von so etwas träumen wir. Aber ich habe niemand, der mir das baut und bezahlt. Für Dinge in dieser Art, die eine Strahlkraft haben, hat die Stadt kein Geld übrig. Es sei denn, es gibt einen Konsens und alle sind bereit, mehr Steuern zu bezahlen. Meistens hört die Begeisterung dann sehr schnell auf.
Dazu fällt mir ein Antrag des FDP-Stadtrats Helmut Kurtz ein: Er hat die Stadtverwaltung gebeten, ein Public-Private-Partnership mit IBM zu prüfen, um die Computersammlung des Unternehmens öffentlich zugänglich zu machen.
Ein IBM-Museum wäre klasse. Aber darüber muss ich nicht einmal nachdenken. Ich weiß, dass es nicht finanzierbar ist. Herr Nixdorf hat eine Stiftung für sein Museum gegründet. IBM hat das leider nicht getan. In Böblingen haben wir zum Glück viele international agierende Unternehmen. Das ist aber auch ein Pech, weil diese Unternehmen hier nicht so verwurzelt sind wie ein Würth in Künzelsau oder ein Ritter in Waldenbuch. Wir haben viele Unternehmer, die auf ihre Art Geld in die Stadt investieren – jedoch nicht in ein Prestigeprojekt. Theoretisch wäre alles möglich und Platz hätten wir. Sie dürfen sicher sein, dass man als Oberbürgermeister sehr große Klimmzüge machen würde, um so etwas zu unterstützen.
Und Sie müssen zugeben, dass der Schlossberg ein wunderbarer Ort ist. So etwas haben nicht viele Städte.
Unbestritten. Wir haben Potenzial. Aber man muss mit der Bebauung sehr sorgfältig umgehen, weil es die nächsten 100 Jahre wirkt. Da wird kein Schnellschuss passieren. Ein Fehler und die Leute regen sich die nächsten 100 Jahre darüber auf.