Der Ludwigsburger Professor Arne Pautsch ist ein Experte für direkte Demokratie - und hält den Korntaler Bürgerentscheid über einen Flüchtlingsheim-Standort für problematisch.

Korntal-Münchingen - Arne Pautsch (42) ist Professor für öffentliches Recht und Kommunalwissenschaften an der Hochschule für Verwaltung Ludwigsburg und Direktor des Instituts für Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie.

 
Herr Pautsch, ist die Frage nach einer Flüchtlingsunterkunft eine, die ein Bürgerentscheid beantworten kann?
Bei genauer Betrachtung handelt es sich nicht um einen Bürgerentscheid zum Thema Flüchtlinge, sondern um einen Bürgerentscheid, der sich gegen die Standortfestlegung im Zusammenhang mit einem Baubeschluss wendet. Bürgerentscheide, die wie in Korntal „von unten“ durch ein Bürgerbegehren initiiert werden und darauf gerichtet sind, eine Entscheidung des Gemeinderats abzuändern, sind per se besonders konfliktbehaftet.
Wird das Votum der Bürger bei dem Thema befriedend oder aufrührend sein?
Ob die damit verbundene Befriedungswirkung sich tatsächlich bei einem so hoch emotionalen Thema wie der Flüchtlingsunterbringung einstellt, muss bezweifelt werden. Daher halte ich bei aller Sympathie für die kommunale Direktdemokratie den Bürgerentscheid in Korntal jedenfalls mit Blick auf die politische Willensbildung in der Gemeinde für problematisch.
Kann es bei so einem Thema überhaupt eine Ja-Nein-Entscheidung geben?
Das liegt im Wesen der direktdemokratischen Entscheidung. Die Gemeindeordnung nimmt es in Kauf, dass über emotionale Themen durch die Bürgerschaft nochmals abgestimmt wird. Das zeigt ja auch der Umstand, dass der Gemeinderat in Korntal das Bürgerbegehren für zulässig erklärt hat und nun den Bürgerentscheid durchführen muss. Insofern bestand dabei kein Ermessensspielraum für den Gemeinderat.
Die Rechtslage ist also eindeutig?
Die Grenze zu einem unzulässigen Bürgerbegehren ist nicht weit entfernt. Sofern es nur unter dem bloßen Vorwand erfolgt, sich gegen die Standortentscheidung durch den Gemeinderat zu richten, das Votum aber tatsächlich gegen die Unterbringung von Flüchtlingen gerichtet ist, kann es den Charakter einer reinen Verhinderungsplanung annehmen. Diese ist unzulässig. Das wäre etwa dann der Fall, wenn in der Gemeinde ersichtlich keine anderen geeigneten Standorte in Betracht kämen.
Könnte es bei einem Erfolg der Gegner für Kommunen schwieriger werden, überhaupt noch einen Standort festzulegen?
Solange der Kommune noch andere Standorte zur Verfügung stehen und damit keine vorsätzliche Verhinderungsplanung vorliegt, halte ich das nicht für problematisch. Man kann als Verwaltung natürlich auch anders vorgehen, indem man durch eine vorangehende Bürgerbeteiligung eine offene Diskussion über den Standort führt und sich verständigt.
Ist das realistisch?
Ich schätze es so ein, dass mit einer offenen Auseinandersetzung gerade bei emotionalen Themen ein solches Vorgehen eher geeignet ist, der Kommune ihre Planungsoptionen zu erhalten und am Ende die Befriedungswirkung zu erzielen.
Hat die Verwaltung bei einem Ja eine höhere Legitimation für ihre Entscheidung?
Faktisch ja, rechtlich nein. Die „gefühlte Legitimation“ ist natürlich höher. Gleichwohl ist anzuraten, es gar nicht zu einem Bürgerbegehren kommen zu lassen.