Barbara John ist die Ombudsfrau für die Angehörigen der Opfer des NSU-Terrors. Nachdem der Prozess verschoben worden ist, kritisiert sie im StZ-Interview die Justiz, die abgeschottet von der Außenwelt entscheide.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Barbara John kümmert sich um die Opfer der NSU-Mordserie. An deren Nöte habe das Gericht bei seiner Entscheidung nicht gedacht, kritisiert sie.

 

Frau John, wie haben Sie von der Entscheidung des Oberlandesgerichts München erfahren?
Ein Nebenkläger hat mich angerufen, dann habe ich es im Internet nachgelesen. Und nun rufe ich alle Nebenkläger an, informiere sie oder spreche ihnen auf die Mailbox.

Wäre das nicht Aufgabe des Gerichts?
Sie haben ja Recht. Aber das Gericht kennt die Nebenkläger nicht, sondern kommuniziert über deren Anwälte mit ihnen. Die sind wahrscheinlich informiert. Inzwischen drängt aber die Zeit. Für den heutigen Dienstag hatten wir einen Termin, an dem sich die Nebenkläger den Gerichtssaal hätten ansehen können. Jetzt muss niemand nach München kommen – auch wenn dieser Termin bestätigt wurde. Als ich das gehört habe, musste ich sogar lächeln.

Gab es heute sonst noch Grund zur Freude?
Nein, ganz sicher nicht. Man fällt von einer Fassungslosigkeit in die andere.

Was empfinden die Nebenkläger?
Sie können kaum glauben, dass so etwas passiert. Nichts scheint in diesem Zusammenhang zu gelingen, alles geht schief – das ist der erste Gedanke.

Hatten Sie mit solch einer Entscheidung gerechnet?
Ich hatte nicht erwartet, dass das Gericht so eine große Lösung ins Auge fasst. Und ich hatte es nicht für möglich gehalten, dass die Justiz so abgeschottet von der Außenwelt entscheidet und sich dabei gar nicht vorstellen kann, welche Probleme damit geschaffen werden.

Zum Beispiel?
Die Nebenkläger haben ihr Leben auf diesen Prozesstermin hin organisiert, zum Teil Urlaub genommen, die Fahrt nach München gebucht und bezahlt. Und versuchen Sie mal, in München ein Zimmer zu bekommen. Das ist nicht einfach.

Bleiben die Menschen nun auf all diesen Kosten sitzen?
Was das Zimmer angeht haben wir Glück. Das Exerzitienhaus Schloss Fürstenried hat sehr entgegenkommend eine Umbuchung akzeptiert. Es gibt wohl noch etwas Stabiles in München. Was die Fahrtkosten angeht: Ich habe keine Ahnung, wer das bezahlt. Aber ich werde mich mit Macht beim OLG München dafür einsetzen, dass der Verursacher dieser Situation auch die Kosten trägt, zur Not auch juristisch.

Was lässt all diese Unruhe im Vorfeld des Verfahrens für den Prozess erwarten?
Da muss es zum Glück keinen Zusammenhang geben. Auch wenn die Kommunikation des Gerichts mit der Außenwelt nicht richtig funktioniert – die Rechtsprechung kann trotzdem zu hundert Prozent in Ordnung sein.