Wird zu viel geröngt? Wie hoch ist die Strahlenbelastung bei einem Flug? Thomas Jung vom Bundesamt für Strahlenschutz erklärt im Interview, wie man sich schützen kann.

Stuttgart - Künstliche und natürliche Quellen tragen etwa gleich stark zur Gesamtbelastung bei. Nicht alle Organe sind gleich empfindlich.

 
Die Strahlenbelastung beim Röntgen wird oft mit der auf einem Langstreckenflug verglichen – kommt das in etwa hin?
Das stimmt – zumindest von der Größenordnung. Die Strahlenbelastung hängt im Wesentlichen von Flugroute, Flughöhe, Flugdauer und dem Sonnenzyklus ab. Typische Strahlenbelastungen für Flugreisensind zum Beispiel für einen Flug von Frankfurt nach New York etwa 0,06 Millisievert (mSv) oder für einen Flug von Frankfurt auf die Kanarischen Inseln etwa 0,015 mSv. Die Strahlenbelastung einer Panoramaaufnahme des gesamten Gebisses ist ungefähr genauso groß, zwischen 0,02 und 0,05 mSv. Die Dosis eines einzelnen Röntgenbildes, einer sogenannten lateralen Zahnaufnahme, liegt bei etwa 0,006 mSv. Werden Röntgenbilder der Lendenwirbelsäule in zwei Ebenen angefertigt, liegt die Dosis zwischen 0,6 und 1,1 mSv. Bei CT-Untersuchungen werden Patienten allerdings einer viel höheren Strahlendosis ausgesetzt als bei einfachen Röntgenaufnahmen. Bei der Lendenwirbelsäule liegt die Dosis zwischen 4 und 9 mSv.
Heißt das, wenn ich viel geflogen bin, sollte ich mich nicht auch noch röntgen lassen?
Das Strahlenrisiko aus verschiedenen Quellen, zum Beispiel Röntgendiagnostik und Höhenstrahlung, addiert sich. Dabei spielt es keine wesentliche Rolle, ob sie innerhalb weniger Tage oder im Abstand von einigen Monaten stattgefunden haben. Man sollte jede Strahlung vermeiden, die nicht unbedingt notwendig ist. Das ist im Falle von Flugreisen eine individuelle Entscheidung. Ärzte dürfen nur dann ein Röntgenuntersuchung anordnen, wenn es einen Nutzen für den Patientengibt.
Aber es ist doch weitaus schädlicher eine große Strahlendosis auf einmal abzubekommen, als verteilt über eine längere Zeit?
Man muss unterscheiden zwischen niedrig und hoch dosierter Strahlung. Bei einer hohen Dosis treten akute Schädigungen auf, von Hautrötungen über die Strahlenkrankheit bis hin zum Strahlentod. Bei niedrig dosierter Strahlung, von der wir bei Röntgendiagnostik sprechen, besteht dagegen ein geringfügig erhöhtes Risiko, dass nach Jahren oder Jahrzehnten Krebs entsteht. Studien an exponierten Menschen zeigen, dass in diesem Dosisbereich das Krebsrisiko linear mit der erhaltenen Dosis steigt, gleich ob eine Person sie einmalig oder über längere Zeit erhalten hat.
Welcher Strahlung sind wir von Natur aus ausgesetzt?
Wir sind von Natur aus der Höhenstrahlung ausgesetzt, im Flugzeug, aber auch schon in den Bergen. Außerdem gibt es die terrestrische Strahlung, die aus den Gesteinen der Erde stammt, sowie natürlich vorhandene radioaktive Stoffe, die mit der Nahrung aufgenommen oder mit der Luft eingeatmet werden, zum Beispiel das radioaktive Edelgas Radon. Auch im menschlichen Körper gibt es natürliche radioaktive Stoffe, unter anderem das radioaktive Kalium-40.
Wie hoch ist die natürliche Strahlenbelastung?
Insgesamt beträgt die Strahlenbelastung aus natürlichen Quellen in Deutschland im Mittel etwa 2 bis 3 mSv pro Person und pro Jahr. Aus künstlichen Quellen kommt im Durchschnitt noch einmal ein Dosisbeitrag von etwa 2 mSv hinzu. Dieser wird überwiegend durch medizinisch bedingte Strahlenbelastungen verursacht. Industrie, Forschung, Kerntechnik tragen zur mittleren Jahresdosis nur geringfügig bei.
Man hört immer wieder, dass die Strahlung der Röntgengeräte heute geringer sei als früher. In manchen Praxen stehen aber noch recht alte Apparate. Sondern die mehr Strahlung ab?
Man kann das nicht verallgemeinern. Röntgengeräte müssen mindestens alle fünf Jahre von einem Sachverständigen auf Funktion, Sicherheit und Strahlenschutz überprüft werden. Der Arzt kann genauere Angaben zur Strahlendosis machen. Das Bundesamt für Strahlenschutz empfiehlt, jede Röntgenuntersuchung in einen Röntgenpass eintragen zu lassen. Den Röntgenpass gibt es kostenlos in Arztpraxen und beim Bundesamt für Strahlenschutz.
Bewirkt eigentlich jede noch so kleine Strahlung Mutationen?
Die krebsauslösende Wirkung ionisierender Strahlung, dazu gehören sowohl Röntgen- als auch radioaktive Strahlung, ist in vielen Untersuchungen nachgewiesen worden, etwa bei japanischen Atombombenüberlebenden. Strahlenbedingte Krebs- und Leukämie-Erkrankungen treten erst Jahre oder Jahrzehnte nach einer Bestrahlung auf.
Warum?
Mit zunehmender Dosis erhöht sich das Risiko, an Krebs zu erkranken. Im Strahlenschutz gehen wir davon aus, dass auch durch geringe Strahlenbelastungen ein – wenn auch geringes – zusätzliches Risiko für Krebs entsteht. Zentraler Grundsatz im Strahlenschutz ist deshalb, Strahlenbelastungen möglichst zu vermeiden und falls dies nicht möglich ist, in jedem Fall so gering wie möglich zu halten. Eine medizinische Strahlenanwendung ist nur gerechtfertigt, wenn der zu erwartende Nutzen für den Patienten, beispielsweise durch eine genauere Diagnose, größer ist als das mit der Strahlenanwendung verbundene Risiko.
Hoden oder Eierstöcke werden bei Röntgenaufnahmen mit einer Bleischürze abgedeckt – hilft das gegen die Strahlenbelastung?
Röntgenstrahlung schädigt die DNA, das kann zu Mutationen führen. Treten die Mutationen in Körperzellen auf, kann daraus Krebs entstehen, Schäden in Spermien und Eizellen können zu genetischen Schäden bei Nachkommen führen. Eine Abdeckung der Keimdrüsen und anderer Körperorgane mit einer Bleischürze während der Röntgenuntersuchung ist deshalb sinnvoll. Die von außen kommende Streustrahlung wird dadurch sehr stark abgeschwächt.
Sind alle Organe gleich empfindlich?
Verschiedene Organe und Gewebe sind unterschiedlich strahlenempfindlich. So ist bei gleicher Dosis die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines Tumors bei Exposition von Brust- und Lungengewebe höher als bei einer Exposition der Haut und der Knochen. Mit am empfindlichsten ist das blutbildende System im roten Knochenmark. Schäden dort können zu Leukämie führen.