Birgit Homburger, stellvertretende FDP-Chefin, wirft Peter Altmaier mangelnden Einsatz gegen die hohen Strompreise vor. Noch in dieser Legislaturperiode müsse die Förderung alternativer Energien reformiert werden.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)
Stuttgart – Nach Überzeugung Homburgers läuft die Förderung der alternativen Energien aus dem Ruder. Die schwarz-gelbe Koalition müsse deshalb noch in dieser Legislaturperiode überzogene Subventionen abbauen.
Frau Homburger, die von Kanzlerin Angela Merkel groß angekündigte Energiewende gerät ins Stocken. Verhebt sich die schwarz-gelbe Regierung an dieser Mammutaufgabe?
Nein. Aber es ist eine große Herausforderung. Momentan sehe ich vor allem zwei problematische Bereiche: Beim Strompreis und bei der Versorgungssicherheit. Mir macht vor allem die Zunahme kurzer Stromausfälle Sorgen, die sich mehren. Die Bundesnetzagentur registriert nur alle Ausfälle ab drei Minuten. Von den Betrieben hören wir aber, dass verstärkt kurz der Strom ausfällt oder wir erhebliche Spannungsschwankungen haben. Das verursacht Millionenschäden und ist hochgefährlich für einen Industriestandort wie Deutschland. Die Bundesnetzagentur ist dringend aufgefordert, endlich alle Unterbrechungen zu erfassen, damit klar wird, wie groß das Problem ist.

Die Netzagentur sagt, die stromsensiblen Betriebe müssen für solche Fälle selbst Vorsorge treffen.
Das ist sicher richtig für große Firmen mit sensibler Produktion. Wenn solche Ausfälle aber flächendeckend vorkommen und viele kleine Betriebe betroffen sind, ist es eine öffentliche Aufgabe, für Stabilität im Netz zu sorgen. Wir können doch nicht jeden Betrieb auffordern, sich ein eigenes Kraftwerk oder einen Dieselgenerator aufs Gelände zu stellen. Das wäre ökonomischer und ökologischer Irrsinn.

Was hat das mit der Energiewende zu tun?
Sehr viel. Der Anteil der Erneuerbaren Energien steigt ständig. Dadurch entstehen extreme Schwankungen bei der Stromeinspeisung. Das Windrad dreht sich halt nur, wenn Wind weht. Von Solaranlagen, von Biogasanlagen, von überall wird Strom dezentral ins Netz gebracht. Das stellt völlig neue Anforderungen ans Netzmanagement.

Wie wollen Sie dem Problem beikommen?
Erstens brauchen wir ein klares Lagebild. Zweitens brauchen wir eine Weiterentwicklung hin zu intelligenter Steuerung im Netz – damit zum Beispiel die Waschmaschine automatisch wäscht, wenn die Nachfrage nach Strom gering ist. Wir müssen auch die Speicherkapazitäten dramatisch verbessern.

Soll das heißen, dass wir inzwischen zu viel alternativ erzeugte Energie haben?
Wir liegen mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien weit über allen Planungen. Gleichzeitig haben wir einen Einspeisevorrang für Erneuerbare Energien – deshalb müssen ständig Kohle- und Gaskraftwerke gedrosselt werden. Das ist unsinnig und teuer.

Am Montag wird die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) deutlich erhöht. Wird die Energiewende zu teuer?
Das ist keine politische Entscheidung, es ergibt sich durch den Zubau von Erneuerbaren Energien und ist das zentrale Problem für die Bürger. Es ist niedlich, wenn der Bundesumweltminister vorschlägt, das Problem durch mehr Energiesparberatung lösen zu wollen. Es gibt heute schon ausreichend günstige Beratung, für Hartz-IV-Empfänger ist sie sogar kostenlos. Die eigentliche Aufgabe besteht darin, Übersubventionierung abzubauen. Im Gegensatz zu den Grünen, die Klientelpolitik für die Solarbranche betreiben, orientieren wir uns an den Bedürfnissen der Bürger.

Wie soll das gehen?
Kurzfristig gilt: Der Staat soll sich nicht auch noch über die Mehrwertsteuer an den steigenden Energiepreisen bereichern. Deshalb will die FDP die Zusatzeinnahmen aus der Mehrwertsteuer auf die EEG-Umlage an die Bürger zurückgeben. Hier geht es um rund 1,5 Milliarden Euro. Zwar verweigert sich Herr Altmaier noch, aber das ist zwingend nötig.

Wie stellen Sie sicher, dass die Stromunternehmen die Preissenkung an die Verbraucher weitergeben?
Über Transparenzvorschriften, damit sie es überprüfbar durchreichen.

Auch der Umweltminister will das EEG überarbeiten, allerdings hält er das in dieser Legislaturperiode nicht mehr für machbar.
Eine Regierung muss handeln, sie kann nicht einfach nur Probleme beschreiben. Wenn wir jetzt nicht reagieren, dann werden weiter Anlagen zugebaut mit Vergütungssätzen, die auf zwanzig Jahre garantiert sind. Das ist nicht hinnehmbar. Auch die Erneuerbaren Energien müssen sich dem Wettbewerb stellen. Die Startförderung war absolut richtig, aber inzwischen sind sie aus den Kinderschuhen raus. Nun gilt es, Kostensenkungen aus technologischem Fortschritt an die Verbraucher weiterzugeben. Die Verbraucher dürfen nicht weiter mit zu hohen Fördersätzen belastet werden, nur damit Investoren gute Renditen einfahren.

Das CDU-geführte Umweltministerium und das FDP-geführte Wirtschaftsministerium rangeln immer noch um die Federführung bei der Energiewende. Wann kehrt da Ruhe ein? Durch den Wechsel zu Herrn Altmaier hat sich das Klima zwischen den Ministerien deutlich verbessert. Nun muss der Umweltminister aber auch mal zur Tat schreiten, um das gemeinsam als richtig Erachtete umzusetzen. Auch die Union wird merken, dass sie etwas tun muss, wenn sie von der Debatte nicht überrollt werden will.

Kann das den Bundestagswahlkampf von Schwarz-Gelb gefährden?
Nein. Zunächst geht es bei der Strompreisdebatte um die internationale Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft, also um Arbeitsplätze in Deutschland und um die Bezahlbarkeit von Energie für die Bürger. Die Energiewende – von deren Kosten bis zur Versorgungssicherheit – wird aber mit der Frage, wie stabil unsere Währung ist, zu den zwei Topthemen des Wahlkampfes gehören.

Das Gespräch führten Joachim Dorfs, Rainer Pörtner und Reiner Ruf.