Steht der Grexit bevor? Der CDU-Politiker Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag, rechnet jedenfalls damit, dass Griechenland eine Parallelwährung einführt. Vom Rettungsschirm ESM könne das Land kein Geld mehr beziehen.

Berlin - Nach den Worten des CDU-Bundestagsabgeordneten Gunther Krichbaum erfüllt Griechenland die Voraussetzungen nicht, damit es Geld aus dem Rettungsfonds ESM bekommen kann.

 
Gunther Krichbaum Foto: CDU
Herr Krichbaum, die Mehrheit der griechischen Bevölkerung ist gegen die Sparauflagen der Troika. Ist damit eine Verständigung mit Griechenland noch möglich?
Die griechische Regierung hat ihren Bürgern vor der Abstimmung keinen reinen Wein eingeschenkt. Europäische Solidarität kann nur das Land erhalten, das selbst alle Anstrengungen unternimmt, seine Situation zu verbessern. Hier sind Portugal und Irland die besten Beispiele. Die griechische Regierung aber hat vorgegaukelt, dass es Hilfen ohne Auflagen geben könnte. Ehrlicher wäre es gewesen, wenn klar nach dem Verbleib in der Eurozone gefragt worden wäre. Nach der Entscheidung vom Sonntag ist klar, dass es keine Kredithilfen aus dem Rettungsschirm ESM geben kann. Voraussetzung dafür wäre, dass die griechischen Schulden auf lange Sicht tragfähig sind. Es gibt aber große Zweifel, ob Griechenland auf Dauer in der Lage ist, seine Schulden zu bedienen, weil Athen nun noch viel lautstarker Reformen verweigern wird.
Sie sehen wirklich keine Möglichkeit mehr, Hilfen aus dem ESM zu geben?
Der ESM scheidet als Geldgeber aus, denn eine weitere Voraussetzung für Hilfen aus dem Fonds wäre, dass von dem Land Gefahren für die Stabilität der gesamten Eurozone ausgehen. Nachdem Ministerpräsident Alexis Tspiras einseitig den Verhandlungstisch verlassen hatte, zeigten die Reaktionen an den Finanzmärkten, dass von Griechenland keinerlei Ansteckungsgefahren für die Eurozone ausgehen. Große Verwerfungen an den Börsen und Anleihemärkten sind ausgeblieben. Die Finanzakteure haben den Zahlungsstopp Griechenlands längst vorweggenommen. Wenn die Stabilität der Eurozone als Ganzes aber nicht bedroht ist, können auch keine Kredite aus dem ESM fließen. Da zugleich keine Verständigung über Hilfen aus dem Vorgängerfonds EFSF möglich war, ist dieses Programm am 30. Juni abgelaufen. Damit kann Athen keine Hilfen aus den europäischen Rettungsfonds erhalten.
Ist diese Aussage nicht zu voreilig? Die Risikoprämien für Spanien sind jüngst etwas gestiegen. Die Kanzlerin hat mehrfach gesagt, wo ein Wille ist, ist ein Weg.
Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Bundestag deutlich gemacht, dass von Griechenland keine Gefahren für die Stabilität der Eurozone ausgehen. Diese Feststellung teile ich ausdrücklich.
Wenn der europäische Rettungsfonds ESM für Athen versperrt ist, wie soll es mit Griechenland dann weitergehen? Auf dem Kapitalmarkt erhält das Land ja kein Geld mehr.
In Europa gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, Länder beim Umbau ihrer Wirtschaft zu helfen. In London sitzt die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), die die Aufgabe hat, Länder in Mittel- und Osteuropa zu unterstützen. Außerdem haben wir die Europäische Investitionsbank (EIB) in Luxemburg als Bank der EU, die Förderkredite zur Verfügung stellen kann. Diese Institutionen könnten aus meiner Sicht für Griechenland Konzepte entwickeln, wie dies die Weltbank für Entwicklungsländer praktiziert. Mit dem Zahlungsstopp beim Internationalen Währungsfonds (IWF) hat die griechische Regierung aus Linksradikalen und Rechtsextremen das Land auf eine Stufe mit Somalia, Sudan und Simbabwe gestellt. Wir müssen deshalb stärker die Instrumente der Weltbank anlegen: Dazu gehören Maßnahmen zur Stärkung der Realwirtschaft und die humanitäre Unterstützung.
Griechenland befindet sich in einer akuten Notlage. Die Menschen kommen nur noch schwer an Geld, die medizinische Versorgung wird schlechter. Sollte die EU Nothilfen organisieren?
Aus meiner Sicht ist nicht mehr die Gruppe der Euroländer gefragt, sondern die gesamte EU mit ihren weiteren 27 Mitgliedern. In Zukunft wird es Hilfen nur auf völlig veränderten Grundlagen geben können. Aber natürlich können wir nicht dabei zusehen, wie ein Land im Chaos und in der humanitären Katastrophe versinkt.
Hat Athen die Chance verwirkt, im Euroraum zu bleiben?
Jeder Staat hat Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Beamten, Pensionären und sozialen Einrichtungen. Wenn Griechenland kein frisches Geld mehr bekommen kann, wächst der Druck auf die Regierung, eine Parallelwährung einzuführen. Schließlich muss die Regierung ja mit irgendetwas bezahlen. Darauf läuft es in Griechenland nach meiner Einschätzung hinaus. Der Euro bleibt aber ganz sicher als inoffizielle Währung auch in diesem Fall im Land. Denn die Menschen werden immer die Sehnsucht nach einer stabilen Währung haben. Ähnliches haben wir auch nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland erlebt, als bis zur Währungsreform der Dollar die faktische Währung war.