Die Kehrwoche dient in der Regel als Witzvorlage über Schwaben. Doch so ganz von der Hand zu weisen ist der Nutzen des regelmäßigen Fegens nicht. Das will der Soziologe Daniel Rölle wissenschaftlich beweisen. Er befragt dazu die Stuttgarter.

Stuttgart - Herr Rölle, braucht die Welt eine Studie zur Kehrwoche?
Wahrscheinlich nicht.
Warum machen Sie dann trotzdem eine?
Weil es eine spontane Idee von Studierenden war. Die haben das im Rahmen eines Seminars als Trockenübung gemacht. Und zwei, die dabeigeblieben sind, David Hellwig und Thorsten Prigge, haben nun die Chance, die Befragung mit geringen Mitteln tatsächlich mal in die Praxis umzusetzen.
Sie haben sehr detaillierte Fragen gestellt. Offenbar kennen Sie sich gut mit der Kehrwoche aus.
In der Tat. Ich bin in Esslingen geboren und wohne seit über 30 Jahren in Ludwigsburg. Insofern habe ich auf jeden Fall schwäbische Wurzeln und bin Kehrwochenakteur seit vielen, vielen Jahren.
Mit welchen Erfahrungen?
Ich habe alles erlebt, vom Kehrwochenprotokoll bis hin zur Kehrwochenbesprechung zusammen mit der Vermieterin. Die lief ab wie eine Eigentümerversammlung in einem Mehrfamilienhaus, hatte aber ausschließlich ein Thema: die Kehrwoche. Sie fand am Samstagnachmittag um 15 Uhr statt und dauerte mitunter zwei Stunden. Der einleitende Satz der Vermieterin – sie war schon über 80 Jahre alt – lautete: Das Leben muss sich an der Kehrwoche ausrichten.
Ist das so?
Wir versuchen, durch die empirische Untersuchung herauszufinden, welche Faktoren ein solches Verhalten erklären. Dahinter steckt eine Verhaltenstheorie aus der Sozialpsychologie. Sie heißt Theorie des geplanten Verhaltens und wurde schon viele Jahre lang vor allem im Umweltbereich und im Bereich der Mobilität untersucht. Es bestätigte sich, dass das Verhalten – ob es nun um Mülltrennung, Fahrgewohnheiten oder Kehrwoche geht – unterschiedlich beeinflusst wird. Zum Beispiel von der persönlichen Einstellung, also ob ich etwas unterstütze oder gern mache. Oder ob ich es als Kind schon so gelernt habe. Oder ob es in meinem Umfeld Leute gibt, die es von mir erwarten.
Was fangen Sie mit diesem Wissen an?
Mit Sicherheit gewinnen die unterschiedlichen Einflussfaktoren an Bedeutung im Bereich Mobilität und bei der Frage: Wie kann ich mehr Leute für Bus und Bahn begeistern? Das schafft man durch einen Wandel der Einstellung zum Öffentlichen Nahverkehr, durch positive Erfahrungen damit. Letztendlich geht es darum, ein bestimmtes Verhalten auch zu ändern.
Bus und Bahn nutzen der Umwelt. Aber das Fegen?
Wir sehen die Kehrwoche in einem größeren Kontext. Es geht nicht nur darum, eine einzelne Straße oder einen Weg zu fegen, sondern es geht dabei um bürgerschaftliches Engagement für den Stadtteil. Deshalb fragen wir in unserer Umfrage auch den Stadtteil ab, um festzustellen, ob es da Unterschiede gibt.
Das könnte auch die Stadtverwaltung interessieren.
Wir hatten Kontakt mit der Stuttgarter Wirtschaftsförderung, doch die fanden das Thema nicht so spannend, sondern sagten, sie würden sich mehr für das Thema Müll interessieren. Also für die Frage, wie man Leute dazu kriegt, ihren Abfall zu entsorgen, statt ihn in die Gegend zu schmeißen. Wir hatten gehofft, bei der Stadt ein paar Sachpreise zur Verlosung unter unseren Befragungsteilnehmern locker machen zu können, aber es blieb dann doch bei den drei Kärcher Akkusaugern.
Haben Sie für Ihr Projekt kein Budget von der Uni bekommen?
Wir waren ziemlich sparsam. Die Studierenden haben die Befragung vorwiegend übers Internet gemacht und über die 5000 Adressen, die uns die Stadt Stuttgart zur Verfügung gestellt hat. Kosten entstanden deshalb nur für das Porto für die Anschreiben, die wir an unsere potenziellen Teilnehmer verschickt haben.
Und was haben die Studierenden denn konkret davon?
Die Studierenden machen die Analyse der Befragung im nächsten Semester als Teil ihrer Masterarbeit. Das läuft also steuerzahlerfreundlich. Aber die Studierenden sollen dabei lernen, wie sowas geht.
Wie haben die Stuttgarter auf Ihre Befragung reagiert?
Es gab einen Einzelnen, der den Tod des Datenschutzes vorausgesagt hat, weil wir seine Adresse von der Stadt Stuttgart bekommen haben und er ohne Zustimmung in unsere Umfrage reingerutscht ist. Es gab Leute, die uns Bilder zuschickten von Ecken, die der Nachbar nicht gefegt hat, und es gab solche, die sich von Angehörigen mit Besen fotografieren ließen und schrieben, sie würden seit Jahrzehnten die Kehrwoche machen, und zwar gern. Interessant auch, dass sehr viele Ältere gerade bei der Online-Befragung mitmachen.
Gibt es schon eine erste Einschätzung? Kehrt der Stuttgarter gern?
Ja. Die Stuttgarter wollen einen Beitrag zu einem sauberen Viertel oder Straßenzug leisten. Alle im Haus wollen es gemeinschaftlich machen. Jeder kehrt. Da ziehen auch die Zugezogenen mit.
Wie lange läuft die Befragung noch?
Bis Ende Oktober.
Wie viel Rücklauf hatten Sie bisher?
Rund 100 haben sich nach dem Aufruf in Zeitungen online beteiligt, bei den 5000 Angeschriebenen hatten wir einen Rücklauf von 500.
Reicht das für eine repräsentative Studie?

Ja. Aber ein paar Teilnehmer mehr wären nicht schlecht.

 

Weitere Freiwillige können sich bis Ende Oktober im Internet beteiligen. www.kehrwochen-umfrage.de