Der Fall Edathy wird vor allem politisch diskutiert. Man sollte jedoch auch über die wahren Opfer sprechen, fordert Paula Honkanen-Schoberth, die Chefin des Kinderschutzbundes.

Stuttgart – - Paula Honkanen-Schoberth, die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, prangert das „massenhafte und kommerzielle“ Anfertigen von Videos mit nackten Kindern an. Die Grenze zur Kinderpornografie müsse genauer definiert werden, sagt sie.
Ein Politiker bestellt Dutzende von Filmen mit Nacktbildern von Kindern. Es heißt, die Darstellungen lägen im Grenzbereich zur Kinderpornografie. Wie stufen Sie das ein?
Natürlich ist das eine Grauzone. Die Grenze zur Kinderpornografie ist fließend und schwierig zu definieren. Bei diesen sogenannten Posing-Fotos geht es um die aufreizende Art der Darstellung. Da ist es die Frage, wie und was wird als aufreizend definiert. Das betrifft die Moral und das Strafrecht.
Zur Zeit ist das Anfertigen oder Besitzen von Nudisten- und FKK-Filmen mit Kindern nicht verboten. Muss man damit rechnen, dass Pädophile die Filme missbrauchen?
Sicherlich, davon muss man ausgehen. Aber ein Straftatbestand ist es bis heute nicht, und es als solchen zu definieren ist schwierig. Man muss bedenken, dass nicht jedes Foto aus dem familiären Bereich oder aus der natürlichen Umgebung eines Kindes einen direkten Verdacht auf Kinderpornografie nahelegen kann. Auf der anderen Seite steht die massenhafte Verbreitung und auch kommerzielle Ausnutzung dieser Bilder. Da müssen genauere Grenzen gezogen werden.
In der Union werden Rufe laut, man müsse das Strafrecht überprüfen. Sollte der Paragraf 184 b verschärft werden?
Der Schutz der Kinder muss an oberster Stelle stehen, das ist für den Kinderschutzbund sehr wichtig. Wie er verbessert werden kann, sollte in der Tat geprüft werden. In der aktuellen Debatte stehen die Kinder zu wenig im Blickpunkt. Man muss daran denken, dass hinter jedem Bild ein Kind steht, ein Kinderschicksal. Unter welchen Umständen sind die Fotos entstanden? Welche Hilfe oder Unterstützung braucht das Kind? Was ist mit den gefilmten Kindern passiert? Diese Fragen stehen im Moment leider im Hintergrund, die politische Debatte steht massiv im Vordergrund.
Kann man das Drehen von Kinderpornografie in Osteuropa nicht stoppen?
Es wäre wünschenswert, dass die Behörden über die Ländergrenzen zusammenarbeiten, das sie wachsam sind und dort aktiv werden, wo sexueller Kindesmissbrauch oder das Filmen von Kinderpornografie vermutet oder nachgewiesen werden. Die Kinder können nicht ihre Einwilligung geben für das Anfertigen solcher Bildern. Selbst wenn man sie darüber aufklärt, was mit den Fotos passiert. Sie sind aufgrund ihres Alters und ihres Entwicklungsstandes nicht in der Lage, die Konsequenzen zu übersehen, die das Stellen der Nacktbilder ins Internet für sie bedeutet. Es ist entwürdigend für die Kinder. Eine Einwilligung von ihnen ist bedeutungslos. Wenn sie gegen Geld geschah, dann war es Bestechung oder es geschah unter Zwang oder Druck. Im übrigen fehlt es auch in Deutschland an einer flächendecken Finanzierung der Beratung von Opfern des sexuellen Missbrauchs oder kinderpornografischer Darstellungen. Es fehlen Beratungsstellen auf dem Land, es mangelt an der Finanzierung. Mancher Therapeut muss Spenden akquirieren zur Finanzierung seiner Arbeit.
Wie breit sind pädophile Tendenzen in unserer Gesellschaft?
Wissenschaftliche Untersuchungen sagen, ein Prozent der Männer hätten eine pädophile Prägung. Das sind Zahlen von Professor Klaus Beier von der Charité in Berlin, der da lange forscht und therapeutische Angebote für Pädophile macht. Die Beratungen sind sinnvoll, sie werden nachgefragt und haben ziemlich gute Erfolge. Es gibt sie in einigen Städten Deutschlands.
Auch der Kinderschutzbund hatte seinen Pädophilenskandal. Ein ehemaliger Präsident, der 1996 verstorbene Walter Bärsch, war Mitglied im pädophilenfreundlichen Arbeitskreis humane Sexualität: Wie arbeiten Sie das auf?
Wir haben das neutrale Institut für Demokratieforschung beauftragt, unsere Vergangenheit zu erforschen. Für uns und unseren Verband ist eine lückenlose Aufklärung sehr wichtig. In unseren Einrichtungen haben wir schon viele Maßnahmen ergriffen, um sexuellen Missbrauch vorzubeugen.
Ziehen Berufe, die mit Kindern zu tun haben, Pädophile verstärkt an?
Ja, das ist bekannt, dass die Pädophilen gerne Betätigungsfelder suchen, wo sie direkten Kontakt zu Kindern haben.