Keine Tasten, keine Hebel, keine Menüs – viele Firmen entwickeln neue Controller, mit denen sich elektrische Geräte intuitiv steuern lassen. Möglich wird das durch leistungsfähige und miniaturisierte Sensoren.

Stuttgart - Eine Handbewegung – und schon öffnet sich der Internet-Browser auf dem Computerbildschirm. Allein durch ein Auf- und Abbewegen des rechten Zeigefingers in der Luft scrollt der Nutzer durch die geöffnete Internetseite. Unbeschwert können Beiträge etwa durch ein Auseinanderbewegen von Daumen und Zeigefinger vergrößert werden. Weder Maus noch Touchscreen sind dazu erforderlich. Möglich macht dies eine Gestensteuerung namens „Leap Motion“. Ein nur wenige Zentimeter langer Sensor wird dafür direkt vor den Nutzer auf den Tisch gelegt und nach Installation einer Spezial-Software kann er allein mit Hand- und Fingerbewegungen in der Luft vor dem Monitor seinen Rechner bedienen oder Spiele steuern. Infrarotkameras registrieren die Bewegungen von Hand und Fingern, und komplexe mathematische Algorithmen lösen die Bewegung dreidimensional auf.

 

Eine andere Form der Gestensteuerung für den Computer hat die kanadische Firma Thalmic Labs entwickelt. Das Myo, ein Armband für den Unterarm, nutzt die elektrischen Signale der Armmuskulatur. „Verschiedene Sensoren – darunter ein Beschleunigungsmesser, ein Gyroskop und ein Magnetometer – registrieren die Bewegungen der Unterarmmuskeln und wandeln sie in Steuersignale um“, erläutert der Geschäftsführer Stephen Lake. Auf diese Weise bemerkt das Myo anhand der Muskelbewegungen im Unterarm etwa, wenn der Träger eine Faust macht.

Mehr noch: „Durch die Messung von myoelektrischen Impulsen erkennt das Myo Bewegungen bereits, bevor sie überhaupt passieren“, erläutert Lake – das menschliche Gehirn sendet nämlich ein Signal an die Muskeln, die Bewegung setzt erst im zweiten Schritt ein. Um zu gewährleisten, dass das Myo dabei nicht jedwede Geste als Eingabebefehl auslegt, wird es nur durch vordefinierte Bewegungen aktiviert. Hierzu ist zunächst eine Kalibrierung durch den Nutzer erforderlich, ehe er zum Beispiel durch Textdokumente am Bildschirm blättern, elektrische Spielgeräte oder seine Musikanlage steuern kann.

Ein Ring, sie alle zu bedienen

Leap Motion und Myo sind nur zwei der neuartigen Eingabe- und Steuerungsgeräte, an denen Wissenschaftler arbeiten. Das Ziel dieser Forschung: der Mensch soll künftig noch häufiger auf möglichst intuitive Weise mit Maschinen in Kontakt treten können. Bis jetzt werden zur Kommunikation mit Geräten noch überwiegend Mäuse, Schalter oder Tastaturen eingesetzt, vor einigen Jahren sind Touchscreens hinzugekommen. Nun sollen weitere Körpersignale des Menschen störungsfrei erfasst und in direkte Befehle umgesetzt werden.

Vor allem durch die Miniaturisierung von Sensoren in Kombination mit kabelloser Übertragung eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten der Interaktion. Die Sensoren besitzen heute einen erweiterten Funktionsumfang, können Signale schneller verarbeiten, führen selbstständig Korrekturrechnungen durch, verfügen über Kommunikationsschnittstellen und sogar über Datenbanken, mit denen erfasste Sensordaten etwa hinsichtlich ihrer Plausibilität geprüft werden. „Vor allem durch Smartphones ist die Entwicklung der Sensoren getrieben worden“, sagt Michael Scholles, Leiter Business Development und Strategy am Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme in Dresden. „In den zurückliegenden Jahren hat eine erhebliche Miniaturisierung stattgefunden. Benötigte man noch vor wenigen Jahren für jeden einzelnen Sensor einen Chip, so lassen sich mehrere Sensoren heute auf einem Chip zusammenfassen“, erläutert der Experte. Zudem habe sich die Genauigkeit deutlich verbessert, was sich etwa in der Navigationstechnik wiederfinde: „Barometrische Sensoren können heute schon auf zwei Treppenstufen genau sagen, in welchem Stockwerk man sich befindet.“

Hohe Genauigkeit auf wenig Platz – darauf setzt die kleine Innovationsschmiede Nod aus Kalifornien. Sie hat einen Ring konstruiert, der ebenfalls Nod heißt. Er soll als universelle Steuerungseinheit für unterschiedlichste Geräte dienen, darunter Fernseher, Haushaltsgeräte, Tablets, Smartphones oder Computer. Dazu installiert der Nutzer eine Übertragungssoftware, setzt sich den Ring, den es in verschiedenen Größen gibt, auf einen Finger und kann das gewünschte Gerät dann allein mittels Fingerbewegungen in der Luft steuern. Dabei können auch Wisch- oder Rotationsbewegungen der Hand unterschieden werden, die jeweils unterschiedliche Aktionen auslösen. Der Ring ist hierfür mit zwei Prozessoren und einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet. Die ermittelten Daten werden per Bluetooth an das zu steuernde Gerät übertragen.

Zum Öffnen das Icon mit dem Blick fixieren

Besonders innovativ und intuitiv ist die Erfassung des menschlichen Blickes, das sogenannte Eyetracking, welches den Blickverlauf einer Person erfasst. Dabei wird die Bewegung der Augen ebenso registriert wie die Dauer, mit der ein Punkt fixiert wird. Der Eyetracker – eine Brille oder ein am Monitor befestigtes Gerät – sendet einen schwachen Infrarotstrahl, der durch die Pupillen auf die Netzhaut fällt und dort reflektiert wird. Eine Videokamera erfasst die Augen, eine Software errechnet aus dem Abstand von Pupillen und Hornhautreflex die Augenbewegungen, die dann als Basis für weitere Analysen dienen. Zu den bekanntesten Eyetracker-Unternehmen zählt die Firma Tobii aus Schweden.

Bis jetzt werden Eyetracker überwiegend in den Neurowissenschaften, in der Werbepsychologie und in der Verhaltensforschung eingesetzt. Doch inzwischen dienen sie auch als sogenannte Augenmäuse bei der Computer- und Computerspielsteuerung. Der Cursor wird auf dem Bildschirm dort angezeigt, wo man hinschaut. Die Kommunikation mit dem Computer erfolgt dann etwa durch das anhaltende Fixieren eines bestimmten Punktes – so kann zum Beispiel ein Programm geöffnet werden. Wendet man den Blick anschließend beispielsweise nach links, läuft auch die Spielfigur in diese Richtung.

Gerade für Spiele werden innovative Steuerungsmöglichkeiten immer wichtiger, denn in den kommenden Monaten kommen gleich drei Headsets für virtuelle Realität auf den Markt: das HTC Vive (die StZ berichtete), das Oculus Rift und das Project Morpheus. Mit diesen Brillen wird es möglich, sich in virtuellen Welten so umzusehen, als wäre man wirklich vor Ort. Doch hat der Spieler solch eine Brille auf, lässt sich die Tastatur nicht mehr bedienen, da man sie nicht sieht.

Um dennoch mit dem Computer und der virtuellen Welt zu interagieren, entwickelt das Unternehmen Manus Machina aus den Niederlanden spezielle Handschuhe zur Steuerung. Diese registrieren die Bewegungen der Hand sowie der einzelnen Finger mit zahlreichen in den Stoff integrierten Sensoren. „Die Handschuhe erfassen akkurat, was die Hände des Trägers tun“, erklärt Unternehmensgründer Stephen van den Brink. „Hinzu kommen Dehnungssensoren, die Streckungen und Beugungen der Finger erkennen. Auf dem Handrücken befindet sich ein Modul, das die Rotation der Hand erfasst.“ Die Position der Hände im Raum wird über eine zusätzliche externe Kamera ermittelt. So wird es sogar möglich sein, virtuelle Objekte zu greifen, zu untersuchen oder zu werfen – ganz wie im realen Leben. Das ist eine Eingabemöglichkeit, wie sie direkter und intuitiver kaum noch sein kann.