Drei bis vier Milliarden Euro würde es kosten, die Schulen im Land umfassend zu sanieren und modernisieren, schätzt der Städtetag. Die Oberbürgermeister von Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe und Mannheim schlagen nun Alarm: Sie schaffen das nicht.

Stuttgart - Stuttgart - Deutschlands Schulen haben Nachholbedarf. Das hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) festgestellt. 34 Milliarden Euro wären notwendig, um die Bildungsanstalten der Republik zu modernisieren, so das Ergebnis einer Untersuchung. Für Norbert Brugger, den für Bildung zuständigen Referenten beim baden-württembergischen Städtetag, ist die KfW-Studie Wasser auf seine Mühlen. Sein Haus hatte schon vor zwei Jahren eine ähnliche Untersuchung gestartet und 66 Kommunen im Land nach dem Sanierungsbedarf ihrer Schulen befragt. Das Ergebnis: allein in diesen Städten und Gemeinden müssten 1,43 Milliarden Euro für die Sanierung und Modernisierung der jeweiligen Schulen ausgegeben werden.

 

Auf ds Land hochgerechnet bedeute das, so Brugger, das drei bis vier Milliarden Euro notwendig wären: „Eine Wahnsinnssumme“, sagt Brugger, die die Kommunen nicht alleine schultern könnten. „Wir fordern eine Gemeinschaftsinitiative“, die zum Ziel habe, die derzeit gängige Förderpraxis zu verändern – mit einem auf längere Sicht angelegten Sanierungsprogramm.

Neubauten werden bezuschusst, Sanierungen nicht

Das Kultusministerium unterstützt den Neubau und die Erweiterung von Schulen. „Das ist aber nicht mehr das Thema“, kritisiert Brugger. Auf dem Plan stünden vielmehr energetische Sanierungen und Modernisierungen, weil viele Schulen in den 70er und 80er Jahren entstanden und dementsprechend schlecht gedämmt seien. Zudem habe sich das Lernen in der Schule grundlegend verändert: die Ganztagesschule, die Digitalisierung, das Lernen in Arbeitsgruppen stellten ganz andere Anforderungen an ein Gebäude als der in den 70ern übliche Frontalunterricht. Sanierungen werden aber vom Land nicht gefördert. Es beteiligt sich nur mit einem Pro-Kopf-Zuschuss am ständigen Unterhalt.

Gerade kleine Städte stellt das vor große Probleme. Schriesheim im Rhein-Neckar-Kreis hat beispielsweise nur knapp 15 000 Einwohner, aber ein Bildungszentrum mit Grund- und Realschule sowie Gymnasium für 1900 Kinder. Mehr als die Hälfte der Schüler an Realschule und Gymnasium kommen von außerhalb. 70 Millionen Euro würde die Generalsanierung des Bildungszentrums kosten. Dabei sind die in den 70er und 80er Jahren errichteten Gebäude nicht marode. Am Gymnasium sind die Fenster und die Jalousien kaputt, insgesamt aber ist das Zentrum „in einem altersgemäßen Zustand“, sagt der Bürgermeister Hansjörg Höfer (Grüne). „Die energetische Sanierung und die Brandschutzvorschriften machen die Renovierung so teuer.“ Fast eine Million Euro gebe die Stadt jedes Jahr aus, um dies und das zu reparieren.

Klar ist aus seiner Sicht: Den großen Sanierungswurf kann Schriesheim, das keine Rücklagen, aber zwölf Millionen Euro Schulden hat, nicht alleine stemmen. „Das Bildungszentrum ist mit Hilfe des Landes gebaut worden“, sagt Höfer. „Ohne das Land können wir es nicht sanieren.“

Die Brandschutzvorschriften sind die Kostentreiber

Der Bürgermeister befürchtet, dass die Brandschutzsachverständigen das statisch speziell errichtete Gebäude so, wie es ist, bald nicht mehr abnehmen. Im Bestand lassen sich die Vorschriften nur erfüllen, wenn die Schulen weniger Kinder aufnehmen. „Dann werden unsere Kosten pro Schüler noch höher“. Denn das Land beteiligt sich mit einem Sachkostenbeitrag am Unterhalt, der abhängig ist von der Schülerzahl. Im vergangenen Schuljahr hat Schriesheim insgesamt eine knappe Million Euro vom Land bekommen. Das deckt den Aufwand aber bei weitem nicht. Mehr als drei Millionen Euro hat die Stadt für den laufenden Unterhalt ausgegeben.

„Ändern Sie die Förderrichtlinie“, fordert Salomon

Doch nicht nur kleinere Städte fühlen sich überfordert. Auch Großstädte klagen, diese Aufgabe sei nicht mehr zu schaffen. Stuttgart müsste 233 Millionen Euro in seine Schulen stecken. Mannheim hat in den letzten zehn Jahren mehr als 175 Millionen für seine 84 öffentlichen Schulen ausgegeben. Noch mal eine dreistellige Millionensumme wäre aber notwendig. In Freiburg geht es um ähnliche Beträge, mehr als 150 Millionen Euro seien investiert seit 2006 worden. Noch immer müsse man einen dreistelligen Millionenbetrag aufbringen, um den Modernisierungsbedarf insgesamt zu decken, beklagt der Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) in einem Brief an die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU): „Angesichts der großen Aufgabe bitte ich Sie, eine entsprechende Fortschreibung der Schulbauförderrichtlinie zu veranlassen.“

Salomon ist nicht der erste Rathauschef, der auf eine Änderung hofft. Auch der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD), der Mannheimer Peter Kurz (SPD) und der Heidelberger Rathauschef Eckart Würzner (parteilos) haben der Ministerin Post in dieser Angelegenheit geschickt. Der Heidelberger und der Mannheimer OB haben bereits einen freundlich formulierten Korb als Antwort bekommen.

Die Ministerin hat Verständnis, ändern will sie nichts

„Aus meinen elf Jahren bei der Stadt Stuttgart weiß ich, welch große Summen die Kommunen in unsere Schulen investieren. Dieses Engagement weiß ich sehr zu schätzen“, erklärt Susanne Eisenmann auf Anfrage. Mit den veränderten Förderrichtlinien bei der Schulbauförderung habe man dem Umstand Rechnung getragen, dass neue Lehr- und Lernmethoden andere bauliche Anforderungen stellten. Deshalb würden nun auch Umbauten gefördert. Doch der Unterhalt der Schulen sei eine Pflichtaufgabe der Kommunen als Schulträger. Im so genannten Schulbauförderprogramm stehen in diesem Jahr nach Angaben des Kultusministeriums 60 Millionen Euro bereit. Diese Summe schwankte in den vergangenen fünf Jahren zwischen 50 und 75 Millionen Euro. Im aktuellen Jahr werden 194 Schulbauprojekte gefördert. „Die Digitalisierung im Schulbereich ist für das Land und die Schulträger mit finanziellen Herausforderungen verbunden“, so die Ministerin. Die werde man meistern, „wenn sich alle Beteiligten dafür einsetzen“.

Nachbarkommunen müssen mitzahlen

Mitunter helfen sich die Kommunen untereinander. An der Erweiterung des Freihof-Gymnasiums Göppingen vor bald 20 Jahren haben sich alle Kreisgemeinden, die kein eigenes Gymnasium haben, beteiligt – freiwillig. Gemeinsam steuerten sie knapp ein Fünftel der Bausumme bei. Mehr als die Hälfte der Schüler an den vier Gymnasien kommen von auswärts.

Doch nicht immer ist man sich so einig. Nur wenige Kilometer weiter, im finanziell chronisch klammen Geislingen, streitet man sich gerne vor Gericht um Geld. Das war schon beim Bau des Michelberg-Gymnasiums so. Damals verdonnerten die Richter die Nachbarn zum Zahlen, allerdings vergingen darüber zehn Jahre. Seit drei Jahren ringt die Stadt wieder mit ihren Nachbarn, diesmal um eine Kostenbeteiligung für die millionenschwere Sanierung des Gymnasiums und der Realschule. Im November traf man sich vor dem Verwaltungsgericht. „Selbstverständlich müssen Sie zahlen. Ihre Schüler haben die Schulen ja auch benutzt“, urteilte der Richter.