Der Vormarsch der Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) hat die internationale Gemeinschaft in Alarmbereitschaft versetzt. Der UN-Sicherheitsrat wollte noch am Donnerstagabend eine Dringlichkeitssitzung abhalten.

Kirkuk - Die Flucht zehntausender irakischer Christen und Jesiden nach dem Vormarsch der Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) hat die internationale Gemeinschaft in Alarmbereitschaft versetzt. Der UN-Sicherheitsrat wollte noch am Donnerstagabend eine Dringlichkeitssitzung abhalten, Frankreich und die USA erwägen, den Kampf gegen die Islamisten zu unterstützen. Die IS-Milizen hatten in der Nacht zum Donnerstag die Kontrolle über Karakosch übernommen, die größte christliche Stadt des Irak.

 

Ein Großteil der Einwohner und tausende Flüchtlinge aus anderen Städten ergriffen nach dem IS-Einmarsch die Flucht. Die Islamisten hätten Kirchen besetzt, Kreuze abgenommen und Schriften verbrannt, sagte der christlich-chaldäische Patriarch Louis Sako der Nachrichtenagentur AFP. Mindestens 100.000 Christen seien geflohen, um in der angrenzenden Kurdenregion Schutz zu suchen. „Das ist eine humanitäre Katastrophe.“

Papst Franziskus forderte die Staatengemeinschaft auf, die Bevölkerungsgruppen zu schützen und ihnen zur Hilfe zu kommen. Dem Bundesverband der Aramäer in Deutschland zufolge sind in der gesamten betroffenen Provinz Ninive sogar 200.000 Christen auf der Flucht.

UN-Sicherheitsrat trifft sich auf Antrag Frankreichs

Karakosch liegt zwischen der Großstadt Mossul und der Kurdenhauptstadt Erbil. Normalerweise leben in Karakosch 50.000 Menschen, zuletzt beherbergte die Stadt aber auch zahlreiche aus Mossul vertriebene Christen.

Ein Sprecher der kurdischen Streitkräfte sagte, die Kämpfe mit den Dschihadisten in der Region dauerten an. Die IS selbst sprach von einer „neuen Befreiung in der Provinz Ninive“, die den Kurden eine „Lehre“ sein werde. Die Kurden verstärkten ihre Einheiten rund um Erbil und Kirkuk. Dort wurden laut Polizei bei einem Anschlag auf eine Moschee mindestens neun Menschen getötet, die dort Zuflucht gesucht hatten.

Der UN-Sicherheitsrat wollte am Donnerstagabend eine Dringlichkeitssitzung abhalten. Das Treffen sollte nach Diplomatenangaben um 23.30 Uhr MESZ stattfinden. Die Sitzung wurde auf Antrag Frankreichs anberaumt. Die Staatengemeinschaft müsse handeln, um „der terroristischen Bedrohung im Irak entgegenzutreten und Hilfe und Schutz für die bedrohte Bevölkerung zu leisten“, erklärte Außenminister Laurent Fabius.

Dschihadisten sehen Jesiden als „Teufelsanbeter“

Auch zehntausende Jesiden flohen vor der Gewalt. Am Donnerstag trafen hunderte Angehörige der religiösen Minderheit in der Türkei ein. Zahlreiche weitere Familien, die in langen Märschen ohne Wasser und Essen geflohen waren, warteten nach Angaben der Behörden noch an der Grenze. Die in der Türkei verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) erklärte, mehrere betroffene Familien in Syrien in Sicherheit gebracht zu haben.

Die Kurdisch sprechenden Jesiden werden von den Dschihadisten als „Teufelsanbeter“ betrachtet und verfolgt. Nach der Einnahme der Stadt Sindschar durch die Dschihadisten vor einigen Tagen flohen tausende Jesiden in das unwirtliche Gebirge nahe der Stadt ohne Essen oder Nahrung. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu sagte, sein Land habe die Hilfslieferungen für die Flüchtlinge im Nordirak verstärkt und auch in den Sindschar-Bergen per Helikopter Nahrung abgeworfen.

Auch US-Präsident Barack Obama erwägt nach Informationen der „New York Times“, in dem Konflikt einzuschreiten. Die von Obama geprüften Möglichkeiten reichen demnach von humanitären Hilfsaktionen wie dem Abwurf von Lebensmitteln bis zu Luftangriffen. Ein Regierungsvertreter sagte der Zeitung, dass eine Entscheidung „unmittelbar“ bevorstehe.

Frankreichs Präsident François Hollande sagte im Gespräch mit dem nordirakischen Kurdenchef Masud Barzani, sein Land stehe bereit, den Kampf gegen die IS-Kämpfer zu unterstützen. Nähere Angaben dazu machte er nicht.