Die Islamische Gemeinschaft will in Wangen Stuttgarts erstes Minarett bauen. Das Baurechtsamt signalisiert seine grundsätzliche Zustimmung zu dem 15 Meter hohen Gebetsturm.

Stuttgart - Wer die bosnische Moschee in dem Wangener Industriegebiet in der Kesselstraße sucht, sollte die genaue Adresse kennen. Die Gebetsstätte liegt versteckt zwischen Autowerkstätten, Reinigungsfirmen und einem Sportplatz. Auf das islamische Gebetszentrum weist bislang lediglich ein unscheinbares Schild hin. Das soll sich bald ändern. Die Islamische Gemeinschaft Stuttgart will das erste Minarett in der Landeshauptstadt bauen. Die überwiegend von Bosniern getragene Gemeinde hat den Bauantrag bereits im November eingereicht, das Baurechtsamt prüft noch. Einer Genehmigung steht aus Sicht der Amtsleiterin Kirsten Rickes grundsätzlich nichts entgegen. „In dem Gewerbegebiet ist ein Minarett zulässig, es bestehen keine baurechtlichen Bedenken.“

 

„Wir wollen nicht befremden“

Wann das Prüfungsverfahren abgeschlossen ist, kann Rickes freilich nicht sagen. Geht es nach der bosnischen Gemeinde, dann soll das 15 Meter hohe Minarett bereits Anfang Mai fertig sein. Vom 7. bis 10. Mai will der Verein die offizielle Eröffnung seiner Moschee in der Kesselstraße feiern, gut vier Jahre nach dem Einzug. „Wir sind 2010 in die ehemalige Werkstatt reingegangen, haben die Räumlichkeiten aber erst nach und nach umgebaut“, erklärt der Vize-Vorsitzende Elvir Ibrahimovic die späten Feierlichkeiten. Seit Ende vergangenen Jahres ist der Innenausbau abgeschlossen, jetzt sollen die Außenanlagen folgen, zu denen das Minarett quasi als krönender Abschluss zählt. „Wir wollen unsere Moschee sichtbar machen, aber wir wollen nicht, dass es die Nichtmuslime in der Stadt befremdet“, sagt der Stuttgarter Softwareunternehmer Elvir Ibrahimovic.

Weil die bosnische Gemeinde nicht anecken will, beschränkt sie sich bei dem Minarett auf 15 Meter Höhe, obwohl in dem Gewerbegebiet nach Auskunft des Baurechtsamts 27 Meter möglich wären. Auch die Gestaltung des Gebetsturmes ist nüchtern gehalten. „Auf den Umlauf, den der Vorbeter besteigt, haben wir bewusst verzichtet, weil wir nicht die Angst wecken wollen, das womöglich morgens in Wangen der Muezzin ruft“, sagt der stellvertretende Vorsitzende. Trotz aller Zurückhaltung verbindet die Gemeinde mit dem Minarett einen Wunsch: die Moschee endlich sichtbar zu machen. „Es wäre natürlich schön, wenn man von der B 10 aus unseren Gebetsturm sehen könnte. Deshalb werden wir ihn in der Nacht auch entsprechend beleuchten“, sagt Elvir Ibrahimovic. Andere Muslime sollen wahrnehmen, wo sie beten können – mit dem Bauwerk angesprochen werden sollen aber auch die Angehörigen anderer Religionen. „Wir sind ein offenes Haus, auch das wollen wir demonstrieren. Wir haben nichts zu verbergen“, versichert Elvir Ibrahimovic .

Zur Einweihung kommt der Großmuft

Die Stuttgarter Moscheegemeinden sind überwiegend nach Nationalitäten organisiert, die meisten sind türkisch geprägt. Die bosnische Gemeinde in Wangen zählt etwa 500 Mitglieder und gehört damit zu den größten bosnisch-muslimischen Gemeinden in Deutschland. Zu den Einweihungsfeierlichkeiten im Mai wird deshalb auch Rais-ul-Ulema Husein Kavazovic, der Großmufti von Bosnien und Herzegowina, erwartet. Die Um- und Neubauten finanziert die Gemeinde aus Spenden ihrer Mitglieder. Der Mitgliedsbeitrag liegt pro Familie bei 20 Euro im Monat, für die Bauten wird zusätzlich um Spenden gebeten. Mehr als eine Million Euro ist in den Umbau der ehemaligen Werkstatt geflossen, für das Minarett werden 50 000 Euro dazukommen. „Wir sammeln gerade“, sagt der Imam Hamza Subasic, der hofft, dass der Gebetsturm bis Mai stehen wird.

Stuttgarts Integrationsbeauftragter Gari Pavkovic begrüßt die Initiative der bosnischen Gemeinde: „Wie die meisten Moscheen in Stuttgart liegt auch die der Bosnier in einer Randlage. Der Wunsch, das Gebäude auch äußerlich schöner und vor allem als Gebetshaus erkennbar zu machen, ist verständlich.“ Was den Zeitplan angeht, ist Pavkovic skeptisch: „Eine Fertigstellung bis Mai ist sportlich.“

Koranunterricht in deutscher Sprache

Aus Sicht des Integrationsbeauftragten zählt die Islamische Gemeinschaft der Bosnier zu den liberalen Moscheegemeinden in Stuttgart. „Dort wird ein europäisch ausgerichteter Islam gepflegt und gepredigt.“ Tatsächlich engagiert sich die Gemeinde seit Jahren im interreligiösen Dialog. Zudem bietet der Verein Koranunterricht in deutscher Sprache. „Es kommen immer mehr Muslime anderer Nationalitäten, schon deshalb versuchen wir, den Unterricht in deutscher Sprache anzubieten“, sagt Ibrahimovic. Auf lange Sicht geht der Unternehmer davon aus, dass auch die Freitagspredigt in Deutsch abgehalten werden muss. „Die jüngeren Gemeindemitglieder sind in der deutschen Sprache zu Hause, nicht mehr in der bosnischen.“ Im Moment freilich predigt der aus Bosnien stammende Imam in seiner Muttersprache. Subasic wird seit einiger Zeit in Lehre und Predigt von einem jungen Mann unterstützt, der in Tübingen Islamische Theologie studiert, dort sein Examen ablegen wird und deshalb seine Vorträge und seinen Unterricht in der Gemeinde überwiegend in Deutsch abhält. „Das ist die nächste Generation der Imame“, sagt Hamza Subasic, der selbst in Bosnien und Kairo Islamische Theologie studiert hat und der 1988 ohne Deutschkenntnisse zu der Stuttgarter Gemeinde gekommen ist.

Mit Blick auf die liberale Gemeinde versichert der stellvertretende Bezirksvorsteher von Wangen, Andreas Schneider: „Wir stehen dem Minarett grundsätzlich offen gegenüber.“