Die Debatte um den Islam in Deutschland wird heftig und oft reflexhaft geführt. Welche abstrusen Züge sie annehmen kann, zeigt ein Beispiel aus Berlin.

Berlin - Der Untergang des Abendlandes - so meinen einige - nimmt gleich hinter dem Berliner S-Bahnhof Neukölln seinen Lauf. In einer tristen Seitenstraße, umrahmt von schmucklosen Mietskasernen, hat sich ein hölzerner Kuppelbau nebst gelbem Halbmond an der Spitze zum religionspolitischen Aufreger der Hauptstadt entwickelt. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil es sich nicht etwa um eine neue Moschee, sondern um einen Kinderspielplatz handelt.

 

Eigentlich sollen die Knirpse dort in die Märchenwelt von Ali Baba und den 40 Räubern eintauchen können. Doch Verschwörungstheoretiker und andere selbsternannte Hüter des christlichen Abendlandes sehen in dem Projekt einen weiteren Beleg für das aus ihrer Sicht übermäßige Vordringen des Islam in Deutschland. „Jetzt werden schon Spielplätze zu religiösen Einrichtungen“, twitterte die Berliner AfD-Fraktion schon vor Wochen, als erste Bilder des Projekts die Runde machten. Natürlich nicht, ohne vor einer „Islamisierung“ zu warnen. Im Netz hyperventilierten diverse andere Nutzer.

In Neukölln gibt es schon einige solcher Spielplätze

Am Mittwoch nun wurde der „meistdiskutierte Spielplatz in Deutschland“, wie es Neuköllns Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey formulierte, eröffnet. Zwischenfälle gab es nicht - sieht man einmal von dem Trubel ab, den ein rotbefrackter Nikolaus mit kleinen süßen Gaben bei den zahlreich anwesenden Kindern auslöste.

„Die Debatte ist wirklich absurd“, sagt Giffey. „Wir haben hier keine Moschee gebaut, sondern eine orientalische Burg.“ Ziel sei es, Geschichten zu erzählen, die Phantasie der Kinder anzuregen, sie in eine Märchenwelt eintauchen zu lassen. Daher finden sich neben dem fünf Meter hohen Kletterhaus mit Kuppel etwa hölzerne Palmen, ein Basar, ein fliegender Teppich und natürlich Ali Baba und eine Schatztruhe. „Märchen sind für alle da“, sagt die SPD-Politikerin.

„Solche Themenspielplätze sind in Berlin und in Deutschland keine Seltenheit“, erläutert Spielplatzplaner Axel Kruse, der auch für die Umgestaltung des lange unansehnlichen Areals in der Neuköllner Walterstraße verantwortlich zeichnet. „Sie liegen seit 20 Jahren im Trend.“ Ob nun Jim Knopf, Schneewittchen und die sieben Zwerge, Bernd das Brot - in Neukölln gibt es schon einige solcher Spielplätze. Seit 15 Jahren an der Hasenheide soger einen zu den orientalischen Märchen aus 1001 Nacht. „Gestört hat sich daran bisher niemand“, so Kruse.

Auch bei einigen Eltern hat es Bedenken gegen das Projekt gegeben

Bei dem neuen Spielplatz wollten die Verantwortlichen alles richtig machen. Sie befragten die Nachbarschaft, welches Märchen sie sich wünschten. Schließlich wurde es Ali Baba und seine Räuber, weil dies die Kinder einer gleichnamige Kita um die Ecke vorschlugen. „Wie man daraus eine politische und religiöse Diskussion machen kann, ist mir unbegreiflich“, sagt Kita-Leiterin Güldane Yilmaz. „Religion hat in der Kita nichts zu suchen.“ Allerdings, räumen die Beteiligten ein, habe es auch bei einigen Eltern Bedenken gegen das Projekt gegeben.

Den Kita-Knirpsen war das alles am Mittwoch egal. Ungeduldig warteten sie bei der Eröffnungsfeier auf das „Sesam öffne Dich“: Dann stürmten sie ihren neuen Spielplatz unter lautem Geschrei und nahmen auch das Kletterhäuschen mit Kuppel und Halbmond in Beschlag.